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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zunächst Matzbach an, verwundert, dann Bergner, prüfend.
    »Moment«, sagte Yü schließlich. »Wollen wir nicht zuerst mal der interessanten Frage nachgehen, wem der Staat eigentlich gehört? Klärung der Eigentumsverhältnisse kann,wie Tschuang-tsu bemerkte, auch zur Klarheit darüber führen, ob dem Verbrechen Tugend innewohnte oder ob die Tugendhaftigkeit verbrecherisch war.«
    Matzbach ächzte. »Na schön; wenn’s denn sein muß. Also – Bergner sagt, ihm gehört der Staat nicht. Du bist Chinese, zählst also hierbei nicht. Genenger, gehört dir dieses, ah, Dings?«
    Der Bestatter grunzte. »Mein Dings gehört mir, klar; was den Staat angeht, bin ich ihm durch Nießbrauch am Boden verbunden. Da aber der Boden mir zu Lehen gegeben wurde von einer alten Sippe, die eher da war als dieser Staat …?« Er zuckte mit den Schultern.
    »Gut.« Matzbach nickte. »Mir gehörte er auch nicht. Gegen Zahlung von Steuern, Abgaben und Gebühren stellt er gewisse Dinge zu Verfügung, auf die ich teilweise verzichten kann und deren anderen Teil wahrscheinlich eine Privatfirma besser und günstiger liefern könnte. Der Staat, meine Herren, und lassen Sie mich das ganz klar sagen, ist Wegelagerern in die Hände gefallen. Die Parteien haben ihn abgezockt – ihn und uns. Von der Regierung über die Verwaltung bis hin zu den Massenmedien. Wir, eh, betreiben hier also möglicherweise eine Aktion, die sich gegen das Mißbrauchsmonopol der Parteien richtet. Das ist, soweit ich weiß, kein Straftatbestand. Die Parteien, Gentlemen, sind Schlingpflanzen, die den bürgereigenen Staat längst erstickt haben. An den Wurzeln und Blattspitzen der Schlingpflanzen mag es, seien wir optimistisch, anständige Menschen geben. Aber die Mitte würgt alles ab, was die Positionen und Pfründe gefährden könnte. Also – sollen wir Bergner einweihen und anderes entweihen?«
    »Haben wir was zu verlieren?« sagte der Bestatter schließlich.
    »Wie Konfuzius sagt, ist alles Verlierbare des Behaltens nicht wert. He, paß auf!«
    Matzbach hatte in seiner Zerstreutheit begonnen, mit dem Brecheisen zu spielen wie ein Dirigent mit dem Taktstock. »Um Vergebung, glückbehafteter Herr Yü. Es sollte dies kein Attentat werden.«
    »Ganz schön kräftig sind Sie ja«, sagte Bergner. »Also wenn Ihnen meine Versicherung genügt … Ich hab weder mit der SED noch mit der Stasi noch mit dem Verfassungsschutz, der CIA, Scotland Yard oder der FIFA was am Hut.«
    Genenger sog Luft durch die Zähne. »Könnte amüsant werden, wahrscheinlich aber gefährlich.«
    »Erzählen Sie’s mir doch einfach nicht und werfen Sie mich raus. Oder erzählen Sie’s und warten Sie ab, ob ich mitmache. Wenn nicht, können Sie mich ja hier einmauern.«
    Matzbach nickte, lehnte sich an eine der unbeschädigten Kellerwände und gab tatsächlich eine Kurzfassung der Dinge. Yü gluckste mehrmals; Genenger schüttelte den Kopf.
    »Du kannst dich ja am Riemen reißen; toll.«
    »Es ging hier nicht um meinen Riemen, auch nicht darum, wer an ihm reißt. – Also?«
    Bergner kaute auf seiner Unterlippe. »Nettes Abenteuer«, sagte er schließlich. »Ich dachte immer, im Kapitalismus ist Politik der Spielraum, den die Wirtschart ihr läßt. Aber Sie haben noch eine Marge gefunden, wie? Klar, ich mach mit. Ich hab eh nix Besseres zu tun.« Er grinste wieder. »Auch nix Schlechteres.«
    »Haben Sie eine Waffe?«
    »Nee; den Panzer mußte ich abgeben, und die Dienstpistole hab ich ein paar Skins verkauft. Warum?«
    »Könnte hilfreich werden. Henri, hast du was für ihn?«
    Genenger seufzte. »Du bist gleich so brutal … Natürlich hab ich was. Hol ich nachher. Können wir jetzt erst mal weiter die Wand kaputtmachen?«
    Matzbach reichte Bergner das Brecheisen. »Als schaler Ersatz für ein Stemmeisen. Bewähren Sie sich. – Wenn wir aber schon unter einer Decke stecken …«
    »Ekelhafter Gedanke – mit dir unter einer Decke.« Genenger spuckte aus.
    »… sollten wir mit den Förmlichkeiten aufhören, finde ich. Felix Yü heißt vor allem Yü, weil das weniger umständlich und vor allem nicht so aufdringlich optimistisch klingt. Genenger heißt möglicherweise Henri, Heinrich, Heini, Charon oder was man will. Ich heiße meistens Matzbach; was Passenderes ist noch keinem eingefallen …«
    »Doch.« Yü kicherte. »Getüm; wie Dany sagt.«
    »Und wie heißt du vorn? Oswald? Bestens; kann man Ossi draus machen, ohne zu lügen. Na los denn.« Dann kratzte er sich den Kopf. »Ha. Bißchen eng

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