Matzbachs Nabel
für vier. Ich trete freiwillig meine Beteiligung an der ersten Schicht ab.«
Bergner und Genenger baggerten; Matzbach und Yü entstiegen den Tiefen. Der Chinese suchte seine Winzerin, die in der Badewanne verschollen schien und sich später unterm Dach fand, wo sie beim Flippern die Zeit vergessen hatte. Matzbach braute einen mörderischen Kaffee, goß ihn durch ein Teesieb aus Blech in Thermos um und tigerte mit einem Becher in der Hand durchs Erdgeschoß, auf der Suche nach Entspannung oder zuhörwilligen Opfern. Er stand eine Weile vor der Musikanlage, konnte sich aber irgendwie nicht zu Brahms oder den Beatles aufraffen. »Ich schmachte nach Finsternissen«, murmelte er.
In einem der hohen Regale der Wohn- und Schlummerkammer standen ein mittelgroßer Farbfernseher und daszugehörige Videogerät, daneben und darunter Kassettenstapel. Matzbach kniete nieder und suchte Sinn in den gekrakelten Kürzeln der Kassettenkleber. Plötzlich stieß er spitze Schreie aus, riß drei Kassetten aus einem Haufen, schaltete die Geräte ein, schob die erste Konserve in den optischen Aufwärmer und fläzte sich mit lustvollen Grunz- und Knurrlauten im Sessel.
Als Jorinde und Eugenie vom Einkaufen heimkehrten, reich mit den Schätzen des Ahrtals beladen – unter anderem dreilagiges Klopapier –, fanden sie Matzbach mit entrückten Zügen und verzückten Augen vor der Glotze, in die anbetende Betrachtung schwarzweiß flimmernder Stierkampfszenen versunken.
Eugenie gurgelte halblaut und schaffte die erlegte Beute in die Küche; Jorinde hockte sich auf Matzbachs Sessellehne und fuhr ihm über den Kopf.
»Na, Herzchen, was ist es – Mithras oder Minos?«
»Ah, weder noch und alle zusammen. El Cordobés, Paquirri, Peralta, alles spanisches Fernsehen aus den Sechzigern. Am Anfang waren sogar noch ein paar uralte Wochenschauaufnahmen von früher – weißt du, wie der Stier Islero den großen Manolete erlegt hat. Und – ist das nicht herrlich? Das müßte Ordóñez sein.«
Er deutete auf den Schirm, wo mehrfache Zeitlupen den perfekten Todesstoß wieder und wieder zeigten.
»Olé«, sagte Yü, der von der Küche her eingetreten war. »Wir sollten die zweite Schicht übernehmen, glaube ich.«
»Ach ja, nun denn.« Matzbach schaltete die Geräte aus, drückte Jorinde einen Kuß auf die Stirn und folgte Yü in den Keller.
Bergner und Genenger hatten sich offenbar gerade zu einer Pause entschlossen; sie hockten auf umgedrehten Holzkistenund tranken Wein aus einer Flasche. In der nachgemauerten Wand klaffte eine etwa eineinhalb Quadratmeter große Lücke – aber nur in der ersten Ziegelschicht. Dahinter war eine zweite.
»Wie viele noch?« Yü klopfte mit dem Hammer; es klang erheblich hohler als beim Vergleich mit der Restschicht der ersten Wand.
»Klingt, als ob’s die letzte wär. Reicht dann aber auch.«
Genenger tat einen langen, langen Zug aus der Flasche, ohne zwischendurch zu schlucken; dann rülpste er.
Bergner deutete auf die Mauer. »Ich bin kein Experte, aber ich würde sagen, daß diese Vermauerung nicht viel älter sein kann als ein Jahr.«
Matzbach kniff die Augen zusammen und musterte die Fugen und die Ziegel. »Hm.«
»Im Schuppen draußen liegt noch ein Haufen von dem Zeug«, sagte Yü. »Ist auch noch nicht bemoost.«
Anderthalb Stunden später hatte die zweite Arbeitsschicht ein Loch in der zweiten Mauerschicht erschaffen, groß genug zum Durchsteigen.
»Mit mehr Brutalität und weniger Geräuscharmut hätten wir das schon längst haben können. Aber man weiß ja nie.« Yü schob mit den Händen die Trümmer zweier Ziegel zu einem Häufchen zusammen; mehr war nicht zu Bruch gegangen, der Rest konnte wieder vermauert werden.
»Und jetzt?« sagte Bergner.
Matzbach strahlte. »Jetzt holen wir etwas zum Leuchten und etwas zum Schießen und steigen in die Unterwelt.« Er deutete in die untere Finsternis jenseits des Durchbruchs; im schwachen Licht der Kellerlampe war ein abwärts führender Gang zu sehen, der nicht länger sein konnte als vier oder fünf Meter, dahinter der Beginn eines Geländers und Schwärze.
Oben kam es zu kurzen, wenngleich zähen Verhandlungen: Jorinde wollte unbedingt mit, »wo ich eh schon dabei bin«; Daniela und Eugenie hielten überhaupt nichts davon, allein Wache zu halten, »und was machen wir, wenn die Moto-Gang wieder auftaucht?« Schließlich warf Genenger murrend die Hände hoch, verschwand nach draußen, kam mit einer Stablampe und einer Pistole zurück und händigte
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