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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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worden.«
    »Woher weißt du das alles?« sagte Jorinde. »Du erfindest das doch nicht, oder?«
    »Man hat so seine Leute, wenn man lange genug in Bonn Unfug getrieben hat. Überdies sind die einzelnen Informationen durchaus nicht geheim; man muß nur erst mal an sie rankommen und anschließend alles zu einem netten Bildchen zusammensetzen.«
    »Was war mit den Besitzverhältnissen? Konfuzius sagt, je gründlicher einer den Grund besitzt, um so bodenloser kann er darin buddeln.«
    »Tja, das ist der einzige Punkt, der mir ein bißchen Kopfzerbrechen bereitet. Wenn ich, was ich einfach mal tue, davon ausgehe, daß da alte Geheimausgänge oder was auch immer sind, und die darüber errichteten Gebäude in irgendeiner Form Zu- oder Ausgänge maskieren … Das ist eine wilde Hypothese, klar; aber nehmen wir es jetzt einfach mal so an. Also, dann ist es verständlich, daß Vater Staat den Daumen draufhalten will. Also gehören die Gebäude der Republik oder dem Bundesland, und sie werden offenbar vermietet an vertrauenswürdige Leute, die ohnehin über den Bunker Bescheid wissen und über seine inneren Verzweigungen, Geheimschachteln und derlei. Ausnahmen sind die Klinik und die beiden Häuser, mit denen wir zu tun hatten beziehungsweise haben. Der Staatssekretär und die Betreiber der Klinik haben ihr jeweiliges Gebäude anno '49 gekauft beziehungsweise dauerhaft gepachtet; also zu einem Zeitpunkt, als in den Trümmern des Tausendjährigen Reichs, aus dem gerade erst die Bonzreplik werden sollte, kaum jemand Gedanken an Bunkeranlagen verschwendet hat. Und Osiris hat sein Haus hier 1982 gekauft, im Dezember; da war in Bonn gerade Palastrevolution und Übergang von einem Kanzler zu einem Kanzlerdarsteller. Es könnte sein, daß bei den in so einer Lage fälligen Umbesetzungen in allen Ämtern irgendwer einfach nicht aufgepaßt hat. Aber das ist auch Teil der wilden Hypothese.«
    »Und was willst du damit machen, Dicker?«
    »Ich will diese Hypothese überprüfen, o mein Herz.«
    »Wie denn?«
    »Unter anderem hier im Keller, mit Meißel oder Brechstange, wenn der neue Besitzer es gestattet.«
    Genenger nickte nur; Yü hob die Arme wie flehend zur Zimmerdecke.
    »Allein? Ich nehme an, Sie haben nichts gegen Mitarbeiter, oder?«
    »Erstens nein, zweitens waren wir schon länger beim Du.«
    »Die Kühnheit Eurer Gedankenflüge stürzte mich in Abgründe der Ehrfurcht, Herr. Du schuldest uns aber noch Aufklärung über die Schildkröten der Wüste und ihre Geduld, sowie über den Wagemut des Schneeschuhkarnickels.«
    Eugenie Meyer erschien, dreifach umwickelt: ein Handtuch um die Löwenmähne, eines um den Busen, eines um die Hüften. Sie schob den Oberkiefer vor und hob die Lippe, so daß ihre oberen Schneidezähne wie Karnickelbeißer vorstanden. »Redet ihr grade von mir?«
    »Keineswegs, Verehrteste. Kaffee? Bitte sehr, bitte gleich. Es sind dies zwei Geschichten, die sich ungefähr gleichzeitig zugetragen haben. Deshalb sollte man sie eigentlich gleichzeitig beziehungsweise durcheinander erzählen.«
    »O ja.« Eugenie ließ sich auf einen Stuhl plumpsen und stemmte die Ellenbogen auf den längst papierfreien Refektoriumstisch.
    »O bitte nein.« Jorinde rang die Hände. »Verzweiflung!«
    »Na gut. Also eins nach dem anderen. Beginnen wir mit der Geduld der Wüstenschildkröten. Um euch nicht zu langweilen, will ich eine Kurzfassung erzählen.«
    Genenger atmete theatralisch auf. »Unser Dank wird dir ewig nachschleichen.«
    »Das hoffe ich. – Also, diese putzigen Tierchen leben mit Vorliebe in der Sahara und anderen ungünstigen Gegenden, und zwar in Wadis oder Oasen. Eine Schildkrötensippe hatte sich vor Jahrhunderten, als es in der Sahelzone noch hin und wieder regnete, in einer Oase niedergelassen und gedieh dort prächtig. Nun hat sich da, wie wir leider alle wissen, vieles verändert, und so nahm der Wasserspiegel ihres Trink- undBadesees immer weiter ab. Schließlich, nachdem sie mehrere Jahre lang vergebens auf Regen gewartet hatten und nur noch ein paar Trinkpfützen übrig waren, beschlossen sie, sich nach einem neuen Wohn-, Schlürf- und Badesitz umzutun. Ein alter Kakadu …«
    »Wie kommt der in die Sahel? Ach, egal, is ja eh Wurscht. Mach weiter, Dicker.«
    »Danke, Jorinde. Ein alter Kakadu, weitgereist wie alle solchen, erzählte ihnen von einem Wadi nicht allzu weit entfernt, etwa eine Flugstunde oder vier Kriechmonate weg. Der Kakadu war aber gerade in der Mauser und konnte deshalb nicht selbst

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