Matzbachs Nabel
weiter nichts ist … Hier gibt’s genug Holz für ne vorläufige Verkleidung«, sagte Yü. »Sollen wir?«
»Wartet mal.« Jorinde deutete nach oben. »Vielleicht will Heinrich ja dringend drunter.«
»Ich würd’s mir gern mal ansehen«, sagte Bergner. »Wir hatten in der TäTäRä …«
»Wo bitte?«
» … in der DDR hin und wieder komplizierte Manöver, bei denen es auch um unterirdische Anlagen ging. Deshalb kenn ich mich da ein bißchen aus.«
Bergner und Genenger übernahmen Waffen und Lampe; Yü hielt Wache, während Matzbach und Jorinde sich läßlichen Erörterungen über mögliche Formen eines Abendbrots hingaben. Daniela und Eugenie, durch die Rückkehr der Expedition ein wenig beruhigt, verschwanden zu einem abendlichen Gang über die Felder.
Als sie vom Spaziergang zurückkamen, trafen nach telefonischer Anmeldung auch Dittmer und Elvira ein, mit einem Taxi. Die Psychologin verspürte Heimweh nach dem Mutterschoß ihres Wohnmobils, der Gemeindeverwalter wollte ihr wohl bei der Durchführung des Heimwehs assistieren und später endlich sein Fahrrad heimbringen.
Bergner und Yü zimmerten im Keller an einer versetzbaren Wand herum; der Ex-Major hatte hinsichtlich der Schotts geäußert, mit Semtex oder ähnlichen Dingen seien sie zu knacken. Genenger grölte in der oberen Badewanne; Matzbach hatte Tomaten zermanscht, die übrigen Essenvorbereitungen Jorinde überlassen und sich wieder vor die Glotze gehockt, wo er in der Mitte des zweiten Videos angekommen war: Höhepunkte der Stierkampfveranstaltungen der 70er.
»Schon wieder ein toter Köter«, sagte Dittmer zur allgemeinen Begrüßung, noch im Billardgemach. »Fein verknotet, geschlitzt, alles wie üblich; hängt offenbar seit heute früh an der zweiten Laterne links von Yüs Haus.«
»Wer hat letzte Nacht eigentlich geschossen?« Elviras Stimme klang ölig bis nölig.
Daniela, dem Klicken nach am Billardtisch, sagte undeutlich, als hätte sie ein Queue quer im Mund: »Wei ‘ch nich.«
»Melde mich freiwillig.« Matzbach hob die Stimme, nicht jedoch den Leib über die Sesselkante.
»Ah.« Spitz, fast schrill, beinahe ein phonetisches Kunstwerk: das einzige
a
, das in der jüngeren Geschichte wie ein
i
intoniert wurde. »Hätt ich mir ja denken können.«
»Wa dagehng?« sagte Daniela, immer noch mit rätselhaften Dingen beschäftigt, die sie beim Sprechen hemmten.
»Allerdings. Er hätte ja jemanden treffen können. Und diese Punks oder Skins oder was auch immer brauchen gutes Zureden, die brauchen keine Gewaltanwendung.«
»Nun mach aber mal nen Punkt.« Dittmar klang fast empört. »Markus Pauly ist tot, und du willst im Moment des Mordes …«
»Schlimmstenfalls Totschlag; eher wohl ein Unfall!«
»… im Moment des Mordes psychologische Beratung erteilen?«
»Wo steckt dieser unmögliche Fettwanst?«
»Hier.« Matzbach grinste vor sich hin; er hielt die Fernbedienung in der Hand und wollte eben das Videogerät ausschalten, als Jorinde mit einer Riesenschüssel Spaghetti aus der Küche kam. Sie hatte den Wortwechsel verfolgt und schien ein wenig verärgert.
»Laß an«, sagte sie scharf und halblaut. »Das soll sie ruhig sehen. Dumme Kuh.«
»Du sprichst von
deiner
Freundin«, sagte Matzbach.
»Eben. Deshalb darf ich dumme Kuh sagen.«
Elvira betrat die Wohn-Schlummer-Kummer-Kammer, sah Matzbach im Sessel, sah den Fernseher, sah in Großaufnahme und Zeitlupe den Degen des Matadors, das Ziel und den Stoß, und sie stieß einen schrillen Schrei aus.
»Das ist ja wiiiiderlich!«
»Na ja.« Matzbach verdrehte den Kopf, um ihr verzerrtes Gesicht genießen zu können. »Nicht besonders gut; die meisten anderen Szenen waren besser, aber sooo schlecht nun auch nicht.«
»Was kuckst du denn da?«
»Videos, Frau Doktor. Die besten, packendsten und ästhetisch erbaulichsten Szenen aus spanischen Stierkämpfen in den letzten Jahrzehnten.«
Da sie nichts sagte, sondern mit großen Augen auf den Schirm starrte, setzte er hinzu:
»Das hier ist irgendwann gegen Ende der Siebziger; zu der Zeit bin ich nur noch selten unten gewesen. Deshalb kann ich dir nicht sagen, wer der Matador ist. In den Sechzigern konnte ich die meisten identifizieren, am Gesicht sowieso, aber auch an den Bewegungen.«
»Du – findest – diese – ekelerregende – Scheiße – gut!?!?«
»Bist du mal in einem Schlachthof gewesen?«
»Was hat das denn damit zu tun?«
»Gleich gibt’s Spaghetti Bolognese, Frollein. Mit Rinderhack. Wenn du mal in einem
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