Matzbachs Nabel
und kroch in etwas, das Matzbach für einen Lüftungsschacht hielt. Besser: ein Lüftungsrohr. Es war aber breit genug, um sogar seine 120 Kilo aufzunehmen.
Allmählich gingen ihm die Taschentücher aus, aber das herausgenommene Gitter sollte eigentlich unübersehbar sein. Er kroch hinter Finkele her, diesmal nicht sehr lang. Finkele krabbelte an irgend etwas herum, das metallisch klang, vermutlich ein weiteres Gitter; dann verschwand er.
Matzbach erreichte das Ende des Schachts und spähte hinaus. Kaum einen Meter unter ihm befand sich der Boden eines breiten Gangs, schwach beleuchtet von weit verteilten Lampen an der Decke. Finkele stand neben dem Schlupfloch und winkte.
Matzbach zögerte, blickte sich noch einmal um. Rechts hinter Finkele, in halber Höhe an der Wand, war eine Kamera montiert, die den Gärtner vermutlich noch nicht erfaßt hatte. Sie war so gerichtet, daß sie nur das unmittelbar vor und unter ihr befindliche Gangsegment registrieren konnte; vermutlich ließ sie sich von der Zentrale aus schwenken. Er kroch hinaus, ließ sich auf die Hände kippen, zog die Beine nach und stand auf. Ohne Finkele zu beachten, drückte er sich die Wand entlang zur Kamera, hielt sie mit einer Hand fest und riß mit der anderen die Kabel heraus.
»Scheiße«, sagte Finkele halblaut.
Als Matzbach sich zu ihm umdrehte, hatte der Gärtner eine kurzläufige Pistole in der Hand. Sie wies auf Matzbachs Bauch.
»Deine Waffe bitte.«
Matzbach holte langsam, vorsichtig einen Revolver aus einer Jackentasche, hielt ihn am Lauf und reichte ihn Finkele.
»Danke. Und jetzt bitte umdrehen und geradeaus weiter.«
Matzbach nickte, lächelte, drehte sich um und marschierte ohne Eile den Gang hinunter, vorbei an der nutzlosen Kamera, weg vom gitterlosen Lüftungsschacht.
»Das scheint dich gar nicht zu überraschen.«
Matzbach blickte über die Schulter zurück. »Nein, Herr KaLeu. Überrascht mich nicht.«
Finkele schnitt eine Grimasse. »Woher weißt du das?«
»Als Bewohner der Stadt Bonn weiß ich, daß in diesem Lande nichts geheimzuhalten ist. Deshalb kenn ich auch einpaar Leute, bei denen man bestimmte Auskünfte kaufen kann. Und bei denen man gewisse, eh, Rückversicherungen abschließen kann, wenn man riskante Dinge plant.«
»Über Rückversicherungen reden wir später.« Finkele ging anders und sprach anders als »der Gärtner«. Kein breitbeiniges Schlurfen mehr, keine vernuschelten Konsonanten.
»Mit wem?« sagte Matzbach.
»Mit Leuten, die ein bißchen mehr Durchblick haben, als du je kriegen wirst.«
Matzbach schnalzte. »Hab ich eine Verabredung mit einem Erschießungskommando?«
Finkele ging jetzt fast neben ihm, höchstens einen halben Schritt zurück; seine kurze Waffe deutete aber immer noch auf Matzbach.
»Du hast überhaupt keine Verabredungen mehr, mit wem auch immer.« Finkeles Stimme war frei von jeder Gehässigkeit; er schien einfach über einen Job zu sprechen.
Matzbach schwieg einen Moment; der Gang lief auf ein großes Schott zu, ähnlich denen im Gang unter Osiris Schumanns Haus. Aber anders als dort war hier im Schott eine Personentür, und Finkele klinkte sie einfach auf.
»Keine schwere Bewachung hier. Bis jetzt, nach dem, was ich sehe, könnten eure Gefangenen mühelos verduften.«
»Was für Gefangene?« Finkele grinste leicht.
»Ah. Hast du mir die Sache mit Genscher und Schmidt bloß aufgetischt, um mich zu ködern?«
»Nicht ganz. Braucht dich aber nicht mehr zu interessieren.«
»Warum braucht es mich nicht mehr zu interessieren?«
Finkele stupste ihn mit der Waffe. »Geh weiter. Warum, glaubst du, habe ich dich hergeholt? Bloß, damit draußen nicht noch eine Leiche rumliegt. Hier drinnen bist du leichter zu entsorgen.«
Matzbach klickte mit der Zunge. »Mein Tod lauert an der nächsten Ecke, was?«
»Bist du so cool?«
»Nee aber ich hab noch ein paar Fragen. Was soll der Scheiß mit den Hunden?«
Finkele kicherte. »Ich kann sie nicht leiden, die Tölen. Das mit dem zerbissenen Mädchen stimmt schon; aber außerdem … Nenn es Ehrenkodex; ich hab mich immer wohler gefühlt, wenn ich, und sei es auch verdeckt, eine Art Kriegsflagge hissen konnte, bevor jemand dran war. Die toten Köter waren eine Art Ankündigung. Mißverständlich, aber für mich befriedigender als stilles Handeln. Klar?«
Matzbach blieb stehen. »Mit deinem Moped kommst du ja fast ungesehen durch die Wälder und die Weinberge. Niemand hat was gehört, als Osiris gestorben ist. Du weißt, weiter
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