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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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bis Finkele den Brunnen erreichte.
    Der Gärtner hatte sich irgendwann in den letzten 24 Stunden rasiert; er sah beinahe unwirklich verändert aus. Zwei Schritte vor Matzbach, der am Brunnenrand lehnte, blieb er stehen und zog den Flachmann.
    »Da. Schluck? Grimmig siehste aus. Is was?«
    Matzbach trank, schüttelte sich, wischte den Mund und gab das Trinkgefäß zurück. »Grimmig? Ah, ein bißchen nachdenklich. Ich hab grad über noble Gesten nachgedacht.«
    »Noble Gesten?«
    »Na ja, deine zum Beispiel. Daß du mich da unten reinbringen willst.«
    Finkele zog den Inhalt der Nase hoch und spuckte aus. »Is nich so nobel, Mann. Knete is nich nobel.«
    »Stinkt aber auch nicht.«
    Finkele nickte und streckte die Hand aus. Matzbach wühlte in der rechten Hosentasche, berührte den irgendwie beruhigenden Griff seiner Pistole und zog die zusammengerollten Scheine heraus, zwei Fünfhunderter.
    »Da. Bitte sehr.«
    Finkele entrollte die Scheine und hielt sie an die Nase. »Stinkt wirklich nich.« Er grinste und steckte sie ein. »Los?«
    Matzbach nickte nur. Finkele schaute sich noch einmal um, dann kletterte er auf die Brunnenumrandung und begann den Abstieg. Matzbach folgte.
    Die Eisenleiter war angerostet, aber – wie Finkele gesagt hatte – stabil genug für zwei Männer, notfalls auch für mehr. Nach etwa sechs Metern drückte sich Finkele seitlich in eine Öffnung, die von oben nicht zu sehen war.
    Dahinter lag ein dunkler, feuchter Raum aus grob behauenen Steinen. Im Licht der Stablampe des Gärtners sah Matzbach die Münder oder After dreier Stollen – rechts, links,geradeaus, wobei »geradeaus« sich im rechten Winkel vom Brunnen entfernte.
    Finkele legte einen Finger an die Lippen. »Versorgungsund Luftschächte«, flüsterte er. »Jetzt müssen wir leise sein.« Er deutete in den »geradeaus« führenden Stollen und ging voraus. Es war dunkel, und nach ein paar Metern senkte sich der Gang, wurde niedriger und enger und führte schräg abwärts. Finkele murmelte etwas von »Vorsichtsmaßnahmen« und knipste seine Lampe aus. Verkrampft, mit eingezogenem Kopf folgte Matzbach ihm in die Schwärze und hoffte, daß das am Stolleneingang verlorene Taschentuch sinnvoll placiert war. Dann vergaß er alle Hoffnung und sämtliche Taschentücher und ging weiter abwärts, immer weiter, eine Hand an der rissigen Wand, die andere auf Finkeles Schulter. Die Füße und die Waden begannen zu schmerzen. Als Finkele irgendwann stehenblieb, warf Baltasar einen Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr: eine Stunde seit Stollenbeginn. Er schätzte, daß sie etwa zwei Kilometer zurückgelegt hatten, vielleicht etwas mehr, und nach kurzem Kopfrechnen nahm er an, daß sie nun etwa 150 Meter tiefer waren als am Anfang.
    »Kleine Halle«, murmelte Finkele.
    Matzbach blickte angestrengt nach vorn und glaubte, in der Schwärze einen winzigen Leuchtpunkt ausmachen zu können.
    »Psst. Weiter.«
    Der Leuchtpunkt wurde größer, wenn auch nur langsam. Quell des Lichts war eine nackte Glühbirne, die in einem vielleicht zehn Quadratmeter großen Raum von der Decke baumelte. Hier kamen vier Stollen zusammen; in der Mitte war ein Loch im Boden, aus dem die Enden einer weiteren Eisenleiter ragten.
    Finkele deutete nach unten und kletterte als erster in den Schacht. Matzbach beugte sich weit vor, spähte hinunter und sah in der tiefen Ferne wiederum ein Leuchten.
    »Kommen wir zum Magma-Kern?« sagte er leise.
    Finkele gluckste. »Schhhhh. Noch ne Halle. Komm.«
    Sie kletterten. Matzbach dachte zwischendurch mit Entsetzen daran, den gleichen Weg zurückkrabbeln zu müssen, was nicht zu seinem Plan gehörte, aber nicht auszuschließen war.
    Die nächste Verbindungshöhle war ebenfalls nur mit einer Glühbirne erleuchtet. Auch hier gab es vier Stollen, aber sie waren mit schweren Stahltüren gesichert und unzugänglich. Über einer dieser Stahlplatten kroch ein armdickes Kabelbündel aus der Wand. Ein Kabel führte zur Lampe und von da den Schacht hinauf, den sie eben herabgekommen waren. Die übrigen verschwanden in den Wänden über den anderen Türen. Bis auf eines, das in etwa eineinhalb Metern Höhe über einem Gitter zu enden schien.
    Finkele zog einen Schraubenzieher aus der Jacke und machte sich an diesem Gitter zu schaffen. Es war offenbar nicht schwer zu lösen; nach wenigen Sekunden hielt er es in der Hand und setzte es geräuschlos auf den Boden.
    »Hier rein.«
    Er schob Kopf und Arme in die Öffnung, stieß sich mit den Füßen ab

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