Matzbachs Nabel

durch die Parkanlagen. Er begegnete zahlreichen Menschen mit Kopfverbänden, wich einem fetten Mann aus, der gestikulierte und Selbstgespräche führte, betrachtete einige Artisten beim Minigolf und vier Genies beim Tennis, nickte Finkele zu, der mit einem Schuffeleisen Unkraut von einem Kiesweg entfernte, und schlenderte nicht besonders zielstrebig zur Vorderseite des Areals. Irgendwo zuckte trotz der Windstille etwas, ein Zweig einer Staudengruppe; Matzbach ließ sich auf die davor stehende Bank sinken und zündete umständlich eine Zigarre an.
    »Gutes Fernglas«, sagte Yü, ohne die Staudenbüsche zu verlassen. »Das Geld hat er in den Safe gelegt.«
    »Wo?«
    »Hinterm Schreibtisch. Da hängt was, Pik As Oh, oder so. Muß man beiseite schieben.«
    »Kompliziert?«
    Yü schnalzte leise; er nannte die Kombination. »Alles läuft wie vorgesehen«, sagte er dann.
    Matzbach zögerte. »Die schmalzverstopften Ohren des unwerten Westbarbaren hören etwa einen Unterton in Euren herrlichen Ausführungen?«
    Yü kicherte. »Wie Konfuzius sagt, hört man entweder zu viel oder zu wenig, aber immer das Falsche. Bis nachher. Bleibt’s bei halb acht?«
    »Ja.«
    Nach einigen Minuten angeregten Essens und gebärdenreichen Redens bat Matzbach um Vergebung und Auskunftspezieller Art. Dr. Blach, der Anstaltspsychologe, nannte ihm die Anzahl der Türen auf der linken Seite des Gangs. Matzbach stand auf, verbeugte sich und ging hinaus.
    Der Gang lag still und starr, keine Passanten in Sicht.
    Der Konsultationsraum von Prof. Dr. Laibnitz war nicht verschlossen; Matzbach klopfte, öffnete, ging hinein und zog die Tür hinter sich zu.
    Vier Minuten später betrat er die Toilette, schloß sich ein, sortierte die Funde und verstaute sie dezentral, um keine auffälligen Wölbungen zu bewirken. Die Aufzeichungen betrafen dem schnellen Überfliegen nach vor allem Gesichtsveränderungen bei Patienten mit Initialen bzw. Kürzeln wie HDG II, HS III, BE I, OL II, dazu einige stichwortartige Notizen über das jeweilige Allgemeinbefinden. Auffallend oft tauchte dabei der wenig aussagende Begriff
Syndrom
auf. Die Banknoten legten den Schluß nahe, daß die Klinik, oder Laibnitz persönlich, entweder oft barzahlende Kunden hatte oder oft Bargeld brauchte; Matzbach schätzte die Gesamtsumme auf über 50.000 DM.
    Er kehrte zum Speisesaal zurück und beendete sein Abendmahl. Nachdem er sich mit Dr. Blach noch einmal für halb neun verabredet hatte, ging er zu seinem Zimmer. Reisetasche und Pyjama – kurz, lila, mit grünen Schlangenmustern – ließ er im Zimmer; alles andere barg er in Hose, Jacke, Hemd oder sonstwo am Körper.
    Es war ein weiterer schöner, heißer Sommerabend; fast die gesamte Belegschaft der Klinik schien unterwegs. Wie Finkele vorhergesagt hatte, fielen Personen, die nicht dazugehörten und Nebenwege gingen, zu dieser Stunde überhaupt nicht auf.
    Der Brunnen lag in einer Senke, unterhalb der Tennisplätze; den Zugang behinderten Brombeermassen und Komposthaufen.
    »Was wollt
ihr
denn alle hier?«
    »Ich habe dich beinahe vermißt«, sagte Jorinde leise zur Begrüßung; sie hauchte ihm einen Kuß auf die Lippen. »Ich dachte, die machen vielleicht eine Vivisektion mit dir oder, was schlimmer wäre, eine Analyse.«
    Matzbach streichelte sie. »Gutes Mädchen. Sollen wir am Ende doch heiraten?«
    Sie seufzte. »Der denkbar beste Ort und Zeitpunkt für einen Antrag, ja?«
    Matzbach giggelte. »Immerhin kein lautes Nein.«
    Er begrüßte die anderen, inspizierte die mitgebrachten Gegenstände und Taschen, nickte und scheuchte sie dann fort. »Finkele müßte gleich hier sein; haut ab, Freunde. Und im übrigen alles wie besprochen, ja?«
    »Mehr oder minder«, sagte Bergner.
    »Was heißt das?«
    »Das heißt, daß wir nicht beabsichtigen, den Kram diesem Chinesen zu überlassen und zu verschwinden«, sagte Genenger. Jorinde nickte heftig.
    Matzbach ächzte. » Seid ihr alle wahnsinnig? Laßt das doch Yü und mich machen. Wer weiß, was passieren kann.«
    »Eben.« Jorinde sah ihm in die Augen. »Da wollen wir dich doch nicht alleinlassen.«
    Schrilles, unmelodisches Gepfeife war zu hören; es kam von den Tennisplätzen.
    »Scheiße«, sagte Matzbach. »Das ist Finkele; die Luft ist rein. Haut ab, versteckt euch; und kommt bloß nicht hinterher. Bemannt die anderen Ausgänge, wie besprochen. Bitte bitte bitte.«
    Sie verschwanden hinter Hecken und Büschen, samt allen mitgebrachten Utensilien.
    Matzbach knurrte leise vor sich hin,