Mauer, Jeans und Prager Frühling
Laden auf dem Korso« von Jan Kadar und Elmar Klos. Er hatte 1966 als erster Film eines sozialistischen Landes den Oscar für den besten ausländischen Film erhalten. Ein Jahr später kam Miloš Formans »Die Liebe einer Blondine« in die Endrunde, und 1968, in jenem besonderen Jahr, errang »Scharf bewachte Züge« von Jiří Menzel, entstanden nach einem Buch von Bohumil Hrabal, wiederum einen Oscar. In der Geschichte, die in der Nazizeit spielt, überraschte der Popsänger Václav Neckář mit einer reifen schauspielerischen Leistung.
Das Staatliche Filmarchiv der DDR verlieh auch alte Produktionen. »M« mit Peter Lorre hat uns begeistert. Ich sehe den weißen Kreidebuchstaben »M« für Mörder auf dem Jackett des Täters noch vor mir. Die unverwüstliche »Feuerzangenbowle« war genauso zu sehen wie die Vorkriegsverfilmungvon »Emil und die Detektive«, das Drehbuch hatte ein in Krakau geborener junger Mann geschrieben, der sich später Billy Wilder nannte …
Wir sahen damals viele alte und neue Filme, die nur in Berlin und Leipzig gezeigt wurden und nie in andere Kinos der Republik gelangten. Dem »Casino« gewährte man eine gewisse Freiheit, es war eine flimmernde Nische. Solch ein niveauvolles Programm wäre in unseren Tagen nicht finanzierbar. Ich glaube nicht, daß es an Besuchern mangeln würde, aber die Ausleihgebühren der Filme ließen das wohl nicht mehr zu. Würde man die Kosten auf die Eintrittskarten umlegen, kämen unbezahlbare Preise zustande.
Und so bleibt es dabei: das »Casino«-Programm ist unübertroffen. Ich werde nirgendwo wieder so viele gute Filme sehen …
Kabarett
Kabarett hab ich zum ersten Mal im »Rembrandt« meiner Tante Hanne gesehen. Erinnern Sie sich an das Gerät?
Genau, ein Schwarzweiß-Fernseher aus DDR-Produktion war das. Ich sah die »Lach- und Schießgesellschaft« aus München. Grandios! So was wollte ich auch machen.
Eine kabarettähnliche Szene dachte ich mir mit meinem Freund Rudi Kleinstück schon in der 9. oder 10. Klasse aus. Rudi, das muß ich hier einfügen, ist für mich ein verhinderter Politiker bzw. Diplomat, denn er hat bereits um das Jahr 1962 herum einen Entwurf für die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten verfaßt.
Mit 18 Jahren!
Ich weiß noch genau, es war in der Weihnachtszeit, als er mir seinen Plan vorlas. Ich hörte konzentriert zu und bröselte dabei etwas Staubzucker vom Stollen auf die blütenweiße Tischdecke. Anschließend rauchten wir eine HB , von der netten Nachbarin gestiftet, was der Festlichkeit des Feiertages angemessen war. Ich staunte, was mein Freund sich für Gedanken gemacht hatte, und Sie wissen alle, daß seine Überlegungen leider nicht zum Tragen kamen, sonst hätten wir schon seit gut 40 Jahren in einem geeinten Deutschland gelebt.
Und uns wäre weiß Gott manch überflüssige Erfahrung erspart geblieben!
Zurück zur ersten Kabarett-Szene: Wir hatten mit Helga Klappach eine Deutschlehrerin, die solche Pläne unterstützte und uns ermunterte. Wir schrieben einen Text über den polytechnischen Unterricht, über die Hilfsdienste, die wir in der Produktion leisteten, wo man Schüler mitunter als billige Arbeitskräfte ausnutzte und sie den Werkhof kehren ließ.
Wie Sie sich denken können, war die Szene in den Augenmancher Leute ein Politikum, unsere Lehrerin bekam eins auf ihre Baskenmütze, und unser sauscharfer Text wurde nach einmaliger Aufführung – allerdings ohne irgendwelche weiterführenden Sanktionen – verboten. Eine zweite Vorstellung hätte die Existenz der DDR zweifellos entscheidend gefährdet.
Ich hatte mit Freunden immer mal herumgesponnen, daß es toll wäre, Kabarett zu machen. In Zwickau blieb es beim Spinnen. Als ich nach Leipzig kam, sprach ich darüber mit Siegfried Hillert, einem Freund, beim Bier im »Erdener Treppchen«. Er meinte, daß an einem der Tische einer von der Studiobühne der Karl-Marx-Universität sitzen würde. Ich sprach den Typ an, und dieser Eike Sturmhöfel sagte mir, daß sich gerade ein gewisser Jürgen Hart mit dem Gedanken trage, ein Kabarett an der Uni zu gründen.
Mit dem verabredete ich mich dann in jener Kneipe, Erkennungszeichen war ein »Filmspiegel«. Jürgen hatte, wie ich rasch merkte, ganz konkrete Vorstellungen von Kabarett. Ich wollte lediglich gern Kabarett spielen, aber er wußte genau, wie das geht. Er hatte schon in der Schule seiner Heimatstadt Treuen eine Truppe gehabt. Irgendwann lud er mich ein, und ich lernte zwei weitere Mitstreiter
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