Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
Mr. Tyacke. Geben Sie mir Ihre Hand.« Sein Griff war fest. »Sie haben mir Mut gemacht. Vielen Dank!«
Etwas verwirrt fand Tyacke sich im Beiboot der
Miranda
wieder. Simcox saß an der Pinne, aufgeregt und neugierig. Tyacke wartete, bis die Männer ihren Takt fanden; ohne Vorbereitung sagte er dann: »Der Admiral will mit uns zum Kap.«
»Ein Admiral? Auf der
Miranda
?« Der Leutnant nickte nur.
Irgendwas war an Bord des Flaggschiffs vorgefallen, spürte Simcox. Irgend etwas Wichtiges. Hoffentlich hatte niemand Tyacke verletzt. »Ich wette, Sie haben vergessen, ihn um das Bier zu bitten!« sagte er.
Aber Tyacke hörte gar nicht zu. »Und wenn es sein muß, werden wir mit diesem Admiral zur Hölle und zurück segeln, so wahr ich hier sitze«, murmelte er. Dann schwiegen sie, bis das Boot an der
Miranda
festmachte.
Richard Bolitho quetschte sich in die Ecke seiner Koje auf der
Miranda
und streckte die Beine aus. Sie war weiß Gott ein unruhiges Schiff. Er war alle Arten von Seegang gewöhnt, aber hier an Bord meldete sich selbst sein abgehärteter Magen.
Tyacke war seit dem Ankerlichten an Deck geblieben. Obwohl Bolitho nur ein Stück blauen Himmel durch das Skylight sah, hoffte er auf stetigeren Seegang, wenn sie erst einmal weiterab von Land standen, jenseits der unruhigen Küstenströmung. Er bedauerte, daß Ozzard nicht mitgekommen war, der seine Wünsche erriet, noch ehe er sie aussprechen konnte. Aber auf diesem kleinen Schiff war der Raum zu beengt. Und die Mannschaft der
Miranda
hätte es sicher nicht gern gesehen, wenn er seinen eigenen Steward mitbrachte. Er hatte auf dem Weg in die Kajüte Überraschung, Neugier und Ablehnung in den Augen der Männer entdeckt. Sie sahen sein AnBord-Kommen nicht als Ehre, sondern als Eindringen eines Fremden. Gut, daß auch Jenour auf dem Flaggschiff geblieben war; seine Augen und Ohren waren dort nützlicher.
Bolitho hatte das Sklavenschiff neben einem der Versorger festmachen gesehen, war aber nicht an Bord gegangen. Er hatte von der Frau in der Achterkajüte gehört und von dem Deserteur, der jetzt in Eisen auf sein Urteil wartete. Aber Tyacke hatte in seinem Bericht sicherlich nicht alles erwähnt.
Er hörte, daß sich das Marssegel knallend im Wind blähte, und meinte zu spüren, wie das Schiff sich in seinen neuen Kurs fand. Dabei fiel ihm wieder Alldays Kritik ein: »Das ist nichts für einen Vizeadmiral. Jedes Kohlenschiff bietet mehr Bequemlichkeit.«
Allday war jetzt irgendwo an Deck, entweder immer noch allein oder schon neben einem neuen Kumpel bei einem Schluck Rum. Auf diese Weise erfuhr er in wenigen Stunden mehr über Besatzung und Schiff als Bolitho in einem ganzen Jahr.
Den verwundeten Midshipman hatte Tyacke auf der
Themis
in der Obhut des Arztes gelassen, aber nichts weiter erwähnt. Bolitho fragte sich, ob Tyacke immer so verschlossen war; nur der Master schien so etwas wie sein Freund zu sein. Tyacke war wohl schon immer ein einsamer Mann gewesen, und die schreckliche Entstellung vergrößerte diese Einsamkeit noch.
Bolitho entrollte die Karte unter einer schwingenden Laterne; sie schaukelte längst nicht mehr so wild wie noch vor kurzem. Die großen Segel eines Schoners waren wie Flügel, sie hielten das Schiff mit seinem großen Tiefgang in einem Seegang, in dem andere Schiffe wie Korken getanzt hätten, auf relativ ebenem Kiel.
Bolitho studierte die Tiefenangaben auf der Karte, die Peilungen und Landmarken und rieb sein linkes Auge. Er schwitzte. Allday hatte wohl doch recht: Die
Miranda
war wirklich kein bequemer Aufenthaltsort. Die kleine, vollgestopfte Kajüte erinnerte ihn an seine frühere auf dem Kutter
Supreme.
1803 hatten die Franzosen ihn aufgebracht und das Feuer eröffnet. Dabei war eine Kanonenkugel in einen Eimer Sand geschlagen und hatte ihn umgeworfen, mittags im hellsten Sonnenlicht. Als man Bolitho danach wieder auf die Beine half, umgab ihn Dunkelheit. Sein linkes Auge machte ihm seither Schwierigkeiten, und auf der
Hyperion
hätte er deshalb fast das Leben verloren. Die Folge der Verletzung war ein Nebel, der ihn manchmal halb erblinden ließ. Der berühmte Chirurg Sir Piers Blachford hatte Bolitho gewarnt: Er müsse sich schleunigst an Land untersuchen und behandeln lassen, wenn er das linke Auge nicht verlieren wollte. Aber eine Garantie für den medizinischen Erfolg konnte auch Blachford nicht geben.
Bolitho meinte, tief im Innern des Auges Schmerz zu fühlen. Das war nur Einbildung oder Furcht, schalt er sich.
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