Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
Natürlich hätte er an Land bleiben sollen zur Behandlung. Aber Männer mit seiner Erfahrung wurden auf See gebraucht, besonders nach der Schlacht von Trafalgar, seit Nelson gefallen war und der Feind an Land immer noch unbesiegt. Bald würde sein nächster Angriff erfolgen.
Die Tür flog auf, Tyacke ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. Er atmete hastig wie nach einem Zweikampf, und sein Hemd war völlig durchnäßt. Unwillkürlich hatte er sich so gesetzt, daß sein entstelltes Gesicht im Schatten blieb.
»Wir laufen rechtweisend Süd, Sir«, berichtete er. »Der Wind schralt ein bißchen, aber das ist gut für den Fall, daß wir schnell über Stag gehen müssen. Sind Sie sicher, daß Sie auf Ihre Rangabzeichen verzichten wollen?«
Bolitho lächelte. Von der Decke hing sein Uniformrock ohne Schulterstücke; er sah aus wie der Tyackes. »Nicht immer sagt das Etikett etwas über den Inhalt aus. Ich hoffe, Ihre Leute fühlen sich wohler, wenn sie mich ohne Epauletten sehen. Ich möchte es so, also machen Sie sich keine Gedanken. Ist Ihre Besatzung wohlauf?«
»Bis auf einen Mann – ja. Mit dem muß ich noch reden.« Das klang etwas besorgt. »Eine interne Sache, Sir Richard, die mit unserem Auftrag nichts zu tun hat.«
»Schon gut.« Bolitho faltete die Karte zusammen. Die Mannschaft der
Miranda
war vollzählig bis auf den Midshipman, der das Leben des Mastergehilfen gerettet hatte. Eine interne Sache, hatte Tyacke gesagt. Also nicht meine, dachte Bolitho.
Tyacke sah ihn lächeln und entspannte sich etwas. »Es wird gleich zu essen geben, Sir.«
Bolitho spürte seinen Magen knurren. Ja, er hatte Hunger, trotz allem. Wenigstens behelligte ihn sein verletztes Auge jetzt nicht mehr. Vielleicht gab es trotz Blachfords Warnung noch ein Wunder.
Während er auf die Rückkehr der
Miranda
wartete, hatte er einen Truppentransporter besichtigt und war überrascht gewesen, daß noch keiner der Soldaten dort gestorben war. An Bord roch es wie auf einem Bauerhof, nicht wie auf einem Kriegsschiff Seiner Majestät. Männer, Pferde, Kanonen, Gepäck, Wagen waren in die Decks hineingepfercht. Auf einem Sträflingsschiff hätte es mehr Platz gegeben. Die Besatzung mußte es nun in dieser stinkenden Enge aushallen, bis Sir David mit seiner Artillerie und Infanterie sich nach Kapstadt durchgekämpft hatte. Wenn sich aber die Holländer stärker als erwartet wehrten? Sie konnten den Vormarsch der Engländer immer noch stoppen, und dann gab es nur noch den kleinen Verband von Commodore Warren, der seine Seeleute und Soldaten im Rücken des Feindes anlanden konnte. Aber die Elendsgestalten, die Bolitho auf dem Transporter gesehen hatte, würden ein schwieriges Landemanöver kaum schaffen und die folgenden Gefechte bestimmt nicht überstehen.
Nebenan war Alldays tiefe Stimme zu hören, der einem von Tyackes Männern half, das Essen für die Offiziere zu holen.
»Bei Ihrer Erfahrung, Mr. Tyacke, sollten Sie ein größeres Schiff kommandieren.« Bolitho sah, wie der andere sich verschloß. »Sie hätten längst befördert werden müssen.«
Tyackes Augen blitzten. »Man hat mir’s angetragen, Sir, aber ich habe abgelehnt.« Das klang wie Trotz. »Die
Miranda
reicht mir. Niemand kann sich über sie beklagen.«
Bolitho drehte sich um, als ein Matrose dampfende Schüsseln auftrug, dem Allday kritisch über die Schulter schaute. »Schon gut, alter Freund«, sagte er. »Danke.«
Die beiden verließen die Kajüte, und Tyacke beobachtete beim Essen insgeheim Bolitho, der das fette Schweinefleisch wie eine große Delikatesse verzehrte. Was war der Admiral bloß für ein Mann? Simcox hatte ihn das immer wieder gefragt. Aber wie sollte er ihm begreiflich machen, daß Bolitho keine bohrenden Fragen stellte, obwohl er es bei seinem Rang gedurft hätte? Und wer konnte die Freundschaft zwischen Allday und Bolitho erklären?
Tyacke dachte an Simcox’ Wunsch, goß lächelnd zwei Gläser Madeira ein und sagte: »Bier würde uns gut tun, Sir, wenn wir es hier irgendwo bekommen könnten.«
Bolitho hob das Glas gegen das Licht und starrte es an. Aber es war das Glas, das beschlug, sein Auge blieb klar. »Bier? Natürlich. Ich werde Ihren Wunsch den Kameraden vom Heer übermitteln. Wenigstens das könnten sie ja für uns tun.« Wieder hob er sein Glas und fragte: »Heute ist doch Samstag, nicht wahr? Also trinken wir einen Toast!«
»Auf Freundinnen und Frauen, Sir?«
Bolitho berührte das Medaillon unter seinem Hemd. »Auf alle, die wir
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