Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Titel: Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Bolitho im Alter von achtzehn Jahren Leutnant geworden war, hatte ihn das endlich befreit von einer Pflicht, die er fürchtete und haßte wie keine zweite: in die Webleinen aufzuentern, wenn Alarm geschlagen wurde, oder wenn er aus einem anderen Grund in den Ausguck mußte. Denn an die Höhe hatte er sich nie gewöhnen können. Er hatte sich oben stets verzweifelt an einen Halt geklammert und die Männer bewundert, die nichts von dem Schiff unter sich zu sehen schienen und nur in die Ferne spähten. Er hatte Männer einen schlimmen Tod sterben sehen, wenn der Sturm sie von Rahen oder Stagen riß oder tobende Leinwand sich nicht einfangen ließ. Andere waren noch lebend in die See gestürzt und hatten beim Auftauchen ihr Schiff erbarmungslos davonsegeln sehen. Es war wirklich kein Wunder, daß junge Männer sich versteckten, wenn an Land die Preßkommandos unterwegs waren.
    »Klar zum Wenden!« Tyacke wischte sich mit dem Handrücken über das zerstörte Gesicht und musterte seine Männer, den Stand der Segel, den Wind. »Hol dicht! Ruder nach Lee! Gut so. Da geht sie durch den Wind! Fier auf! Gut so. Tom, ein Mann mehr an die Vorbrasse.«
    Die Schatten von Groß- und Stagsegel huschten übers Deck. Die Pinne wurde gelegt, Leinwand knallte protestierend. Bolitho fühlte, wie er ausrutschte, sah die See unter der Leereling schäumen und das hügelige Land weit vor dem Bug auswandern. »Die dreht ja auf dem Teller«, hörte er Allday hinter sich bewundernd sagen. Aber das Kompliment bekam keiner außer ihnen beiden mit.
    »Stützruder! Gut so. Fall ab einen Strich.«
    Der älteste Rudergänger meldete dem Kommandanten: »Neuer Kurs Ost zu Nord liegt an, Sir.«
    »Gut so.« Tyacke starrte nach oben. »Schicken Sie ein paar Männer hoch, um das Marssegel zu reffen, Mr. Simcox.« Er grinste.
    »Bei diesem Wind könnten wir es sonst verlieren.«
    Die beiden Masten des Schoners tanzten und lehnten sich dann unter dem Druck des Windes weit nach Lee über. »Ein Glas, bitte«, befahl Bolitho. »Ich will vorne aufentern.« Er übersah Alldays stummen Protest. »An Land wird es so früh nicht allzu viele neugierige Augen geben.«
    Er ging nach vorn, schätzte das Stampfen des Bugs ab, zog sich aufs Schanzkleid und begann, in den Webleinen emporzuklettern. Höher und höher stieg er und zwang sich, nicht nach unten zu blicken. Was mochte die Besatzung wohl von ihm denken? Ein Vizeadmiral, der sich in den Webleinen nach oben zog! Der Ausguck im Mast hatte ihn die ganze Zeit beobachtet und begrüßte ihn, als er atemlos oben ankam, mit: »Schöner Tag heute, Sir Richard.«
    Bolitho klammerte sich an ein Stag und wartete, bis sein Herz wieder ruhiger schlug; als man ihn das letzte Mal nach oben gehetzt hatte, war er Midshipman gewesen. Dann wandte er sich an den Ausguck: »Sie kommen aus Cornwall, nicht wahr?«
    Der Mann nickte grinsend. Anscheinend hielt er sich nirgendwo fest. »Aus Penzance, Sir.«
    Bolitho zerrte das Teleskop nach vorn. Hier oben trafen sich also zwei Männer aus demselben Landstrich. Es dauerte eine Weile, bis er sich an das Stampfen des Schoners gewöhnt hatte und das Glas ruhig halten konnte. Dann sah er eine Huk, scharf vorspringend, Gischt wirbelte vor ihr hoch – ein Riff also, wie Tyacke vorhergesehen hatte.
    Es war inzwischen so warm, daß sein Hemd am Rücken klebte. Deutlich sah er den Verlauf der Strömungen unter dem Kap. Sie vermischten sich miteinander, brachen sich und schickten ihre Ausläufer auf das Land zu. Hier trafen sich zwei Ozeane, der Atlantik und der Indische Ozean. Hier öffnete sich die Ferne, das Tor nach Indien, nach Ceylon, nach New South Wales. Darum war Kapstadt so wichtig. Wie Gibraltar zum Mittelmeer, so war Kapstadt der Schlüssel zum Indischen Ozean.
    »Schiffe, Sir. An Backbord.«
    Bolitho fragte nicht, wie der Mann sie ohne Fernglas entdeckt hatte. Man wurde als guter Ausguckposten geboren, konnte diese Kunst nicht erlernen. Bolitho hatte solche Männer immer bewundert. Sie entdeckten von oben gefürchtete Brecher, vor denen keine Karte warnte. Mancher Kapitän hatte so sein Schilf und das Leben seiner Mannschaft retten können.
    Bolitho wartete, bis er mit dem Glas die Schiffe eingefangen hatte. Es waren zwei, die da vor Bug- und Heckanker lagen. Das sah aus, als sollten sie als wehrhafte Batterie gegen einen Angreifer von See her dienen.
    »Es sind holländische Kauffahrer aus Indien, Sir.«
    Bolitho nickte. Wie die Ostindische Kompanie Englands besaß auch ihr

Weitere Kostenlose Bücher