Maulende Rebellen, beleidigte Zicken
negative Verhaltensweisen verfallen, die ihre Identitätsentwicklung prägt.
Wegen Umbau bis auf Weiteres geschlossen - Die Gehirnentwicklung bei Jugendlichen 6
Anders als oft angenommen, entwickelt sich das menschliche Gehirn bis zum 25. Lebensjahr weiter. Vor allem während der Pubertät wird das Gehirn dramatisch umstrukturiert. Im Gegensatz zur Gehirnentwicklung, die im Kleinkind vorgeht und zum größten Teil vom Umfeld bestimmt wird, kann der Jugendliche die Umstrukturierung seines Gehirns in großem Maße beeinflussen.
Nur in den Monaten vor der Geburt produziert das Gehirn eine ähnlich große Anzahl von grauen Gehirnzellen wie während der Pubertät. Diese Gehirnmasse wird dann strukturiert, indem einzelne Zellen miteinander vernetzt werden. Gehirnzellen, die nicht benutzt und damit vernetzt werden, sterben ab - bis zu 30.000 pro Sekunde. Je nachdem, wie Jugendliche ihre Zeit verbringen, bestimmen sie mit, wie ihr Gehirn für den Rest ihres Lebens aussehen wird. Heranwachsende, die Sport machen, ein Instrument spielen und Hobbys haben, behalten nicht nur mehr Gehirnzellen, sondern bilden auch schnellere Verbindungen zwischen diesen Gehirnzellen. Die Nervenfasern oder weißen Gehirnzellen,
die diese Zellen miteinander verbinden, verdichten sich bis weit ins Erwachsenalter und sorgen dafür, dass das Gehirn weniger, aber dafür schnellere Verbindungen hat. Dieser Verdichtungsprozess endet um das 40. Lebensjahr. Der Nachteil kann dabei sein, dass sich Gewohnheiten immer schwerer verändern lassen, dass das Erlernen und Speichern von neuen Informationen komplizierter wird und das Überwinden von negativen, prägenden Erfahrungen unwahrscheinlicher wird. Die Entwicklung des Gehirns hängt damit nicht nur von genetischen Faktoren ab, sondern auch von der Nutzung.
Das Gehirn entwickelt sich von hinten nach vorne oder von einfach bis komplex. Der letzte Teil, der während der Pubertät beginnt, sich zu entwickeln, ist der Bereich hinter der Stirn (die Frontallappen), der für abstraktes Denken und reife Entscheidungen zuständig ist. Die Frontallappen sind auch für Einsicht, Zukunftsplanung, Selbstkontrolle, Abwägen von Konsequenzen, Eigenmotivation und Werteentwicklung zuständig. Wenn Eltern und Lehrer somit erwarten, dass Jugendliche gut durchdachte Entscheidungen treffen oder erkennen, wie schwerwiegend die langfristigen Konsequenzen ihrer Entscheidungen sein werden, dann erhoffen sie sich manchmal etwas, was das Gehirn eines Jugendlichen noch nicht wirklich kann. Die Frontallappen funktionieren zwar, aber die Jugendlichen müssen sich mehr anstrengen als Erwachsene, um die Weisheit dieses Gehirnbereichs anzuzapfen.
In ruhigen Momenten können Jugendliche oft eindrucksvolle Einsichten haben, großartige Pläne schmieden und weise Entscheidungen treffen. In anderen Situationen, vor allem dann, wenn die noch nicht ausgereiften Frontallappen »zu langsam« reagieren, frustrieren Jugendliche oft mit ihrem unreifen Verhalten und ihren »dummen« Entscheidungen. Mit anderen Worten: Wenn eine schnelle Entscheidung getroffen werden muss oder die Emotionen auf Hochtouren laufen, dann übernehmen »alte Teile« des Gehirns die Kontrolle und liefern wenig durchdachte Entscheidungen. Und wenn die Frontallappen sich dann endlich einschalten, ist es oft schon zu spät, um das Gesagte zurückzunehmen oder die Situation anders anzugehen.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für Eltern?
Um den empörten Aufschreien gleich vorzubeugen: Dies bedeutet nicht, dass Eltern aufhören sollten, gute Entscheidungen und wachsende Selbstkontrolle von ihren Teenagern zu erwarten. Im Gegenteil: Es bedeutet, dass Eltern ihren Teenagern sooft wie möglich die Gelegenheit geben sollten,
die Frontallappen zu benutzen. Je öfter ein Jugendlicher erfährt, dass es sich lohnt, wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen, desto stärker werden die entsprechenden Verbindungen im Gehirn. Ein Sprichwort sagt: »Gute Entscheidungen sind das Ergebnis von Erfahrung. Erfahrung ist das Ergebnis von schlechten Entscheidungen.«
Es gilt auch hier: Konsequenzen sind die besten Lehrer. Positive Konsequenzen verstärken Nervenverbindungen und damit das Verhalten. Unangenehme Konsequenzen bilden Verbindungen im Gehirn, die die Jugendlichen beim nächsten Mal daran erinnern, dass ihr Verhalten nicht wirklich die gewünschte Konsequenz hatte und sie deshalb vielleicht eine andere Entscheidung treffen sollten. Je mehr Entscheidungen ein Jugendlicher im Alltag
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