Maurice, der Kater
ar zu geben, wenn du so viel verlangt hättest.«
»Zehn Dollar sind selbst für eine gute Rattenfängerkatze zu viel«, sagte
der Junge.
»Rattenfänger? Der Mann wol te keine Ratten fangen!«, erwiderte das
rothaarige Mädchen. »Hier haben al e Hunger, und deine Katze ist für
mindestens zwei Mahlzeiten gut!«
»Was? Die Leute hier essen Katzen !«, brachte Maurice hervor. Sein
Schwanz plusterte sich auf.
Das Mädchen beugte sich mit einem grimmigen Lächeln zu Maurice
hinab. Auf diese Weise lächelte auch Pfirsiche, wenn sie einen Streit mit
ihm gewonnen hatte. Sie presste ihm den Zeigefinger an die Schnauze.
»Reingefallen«, sagte das Mädchen. »Du hast dich von einem einfachen
Trick überlisten lassen! Ihr beide kommt besser mit mir, verstanden?
Oder ich schreie. Und die Leute hören mich, wenn ich schreie!«
Kapitel drei
Tief unter Maurices Pfoten krochen die Ratten durch die Unterstadt von
Bad Blintz. Alte Orte waren so. Die Menschen bauten nicht nur nach
oben, sondern auch nach unten. Kel er grenzten an andere Kel er, und
manche von ihnen gerieten in Vergessenheit – aber nicht unter
Geschöpfen, die im Verborgenen bleiben wol ten.
Eine Stimme erklang in der dichten, warmen und feuchten Dunkelheit.
»Na schön, wer hat die Streichhölzer?«
»Ich, Gefährliche Bohnen. Vier Portionen.«
»Bravo, junge Ratte. Und wer hat die Kerze?«
»Ich, Chef.* Ich bin Mundgerecht.«
»Gut. Stell sie auf den Boden. Pfirsiche wird sie anzünden.«
In der Dunkelheit ertönten schlurfende und scharrende Geräusche.
Nicht al e Ratten hatten sich an die Vorstel ung gewöhnt, Feuer zu
machen, und einige versuchten, beiseite zu weichen.
Es kratzte, und dann flammte ein Streichholz auf. Pfirsiche hielt es
zwischen den Vorderpfoten und zündete den Kerzenstummel an. Die
Flamme wuchs kurz in die Höhe, wurde dann kleiner und brannte
* Es ist schwer, »Chef« in die Rattensprache zu übersetzen. Das rattische Wort
für »Chef« ist gar kein Wort, .sondern mehr ein kurzes Ducken, das zcigt: Nur
für diesen Moment ist die sich duckende Ratte bereit, die andere Ratte als Boss zu akzeptieren, aber er oder sie soll sich das bloß nicht zu Kopf steigen lassen.
gleichmäßig.
»Kannst du es wirklich sehen?«, fragte Gekochter Schinken.
»Ja, Chef«, sagte Gefährliche Bohnen. »Ich bin nicht völlig blind und
erkenne den Unterschied zwischen hel und dunkel.«
Gekochter Schinken beobachtete die Flamme misstrauisch. »Trotzdem,
mir gefällt das Feuer ganz und gar nicht. Die Dunkelheit war gut genug
für unsere Eltern. Bestimmt geraten wir deshalb in Schwierigkeiten. Und
wenn wir eine Kerze brennen lassen, vergeuden wir Nahrung.«
»Wir müssen in der Lage sein, das Feuer zu beherrschen, Chef«, sagte
Gefährliche Bohnen ruhig. »Mit der Flamme geben wir der Dunkelheit
gegenüber eine Erklärung ab. Wir sagen: Wir sind kein Teil von dir. Wir
sagen: Wir sind nicht nur Ratten. Wir sagen: Wir sind der Clan.«
Gekochter Schinken schnaufte nur – so reagierte er, wenn er etwas
nicht verstand. In letzter Zeit schnaufte er viel.
»Ich habe gehört, dass sich die jüngeren Ratten vor den Schatten
fürchten«, sagte Pfirsiche.
»Warum?«, fragte Gekochter Schinken. »Sie fürchten sich doch auch
nicht vor völliger Dunkelheit. Dunkelheit ist rattisch. In der Dunkelheit
zu sein… Das entspricht dem Wesen der Ratte!«
»Seltsam«, sagte Pfirsiche. »Wir wussten gar nichts von der Existenz der
Schatten, bis wir das Licht bekamen.«
Eine der jüngeren Ratten hob schüchtern eine Pfote. »Äh… und wenn
das Licht ausgeht, wissen wir, dass die Schatten immer noch da sind.«
Gefährliche Bohnen wandte sich der jüngeren Ratte zu. »Du bist…?«,
fragte er.
»Köstlich«, antwortete die jüngere Ratte.
»Nun, Köstlich«, sagte Gefährliche Bohnen freundlich, »ich glaube, die
Furcht vor den Schatten ist ein Zeichen dafür, dass wir intel igenter
geworden sind. Dein Bewusstsein hat herausgefunden, dass es ein Du
gibt und auch Dinge, die sich außerhalb von dir befinden. Deshalb fürchtest du jetzt nicht nur Dinge, die du sehen, hören und riechen kannst,
sondern auch Dinge, die du… gewissermaßen… in deinem Kopf siehst.
Zu lernen mit den Schatten außerhalb von uns fertig zu werden, hilft uns
beim Kampf gegen die Schatten in unserem Innern. Wir können die ganze
Dunkelheit kontrollieren. Das ist ein großer Schritt nach vorn. Bravo.«
Köstlich wirkte ein wenig stolz, aber
Weitere Kostenlose Bücher