Maurice, der Kater
Denkens.
Deshalb überraschte es ihn sehr, als er das Maul schloss und feststellen
musste, dass die neue Ratte nicht mehr da war.
Sonnenbraun lief nicht, wie eine Ratte laufen sol te. Er duckte sich wie
ein Kämpfer. Er zwickte Schnappi unterm Kinn und verschwand.
Schnappi wirbelte herum, und wieder war die Ratte nicht dort, wo er sie erwartete. Während seiner bisherigen Grubenauftritte hatte er Ratten
gebissen, die wegzulaufen versuchen. Aber Ratten, die in unmittelbarer
Nähe blieben… Das war unfair!
Gebrül kam von den Zuschauern. Jemand rief »Zehn Dol ar auf die
Ratte!«, und jemand anders rammte ihm die Faust gegen das Ohr. Ein
anderer Mann versuchte, in die Grube zu klettern, und jemand schlug
ihm eine Bierflasche auf den Kopf.
Sonnenbraun lief unter dem bellenden, sich drehenden Schnappt hin
und her. Er wartete auf den richtigen Augenblick…
Und dann sah er die gesuchte Stelle und biss fest zu.
Schnappi verdrehte die Augen. Ein Teil von ihm, der sehr persönlicher
Natur und nur für Schnappi und Hündinnen interessant war, schmerzte
plötzlich sehr.
Er jaulte. Er schnappte nach leerer Luft. Und dann versuchte er im
allgemeinen Durcheinander, die Grube zu verlassen. Er richtete sich auf,
und seine Krallen kratzten verzweifelt über die glatte, schmierige
Holzwand.
Sonnenbraun sprang auf seinen Schwanz, lief über den Rücken, hüpfte
auf die Spitze seiner Schnauze und sprang über die Wand.
Er landete zwischen Beinen. Männer versuchten, auf ihn zu treten, aber
das bedeutete, dass ihnen andere Männer Platz machen mussten. Als sie
sich mit den Ellenbogen gegenseitig fortgestoßen hatten und sich auf die
Stiefel stampften, war Sonnenbraun bereits verschwunden.
Aber es befanden sich noch andere Hunde im Stal . Sie waren halb
wahnsinnig vor Aufregung, rissen sich von Leinen und Ketten los und
verfolgten die Ratte. Sie wussten, wie man Ratten verfolgte.
Und Sonnenbraun wusste, wie man vor Hunden weglief. Wie ein
Komet sauste er über den Boden, ein Schweif aus knurrenden, bel enden
Hunden hinter sich, hielt auf die Schatten zu, bemerkte ein Loch in den
Brettern und sprang hindurch, in Sicherheit verheißende Finsternis…
Klick machte die Falle.
Kapitel neun
»Endlich!«, sagte Malizia und streifte die Fesseln ab. »Ich dachte, Ratten
könnten schnel er nagen.«
»Sie haben ein Messer benutzt«, erwiderte Keith. »Und du könntest dich bedanken.«
»Ja, ja, sag ihnen, dass ich sehr dankbar bin.« Malizia richtete sich auf.
»Sag es ihnen selber!«
»Entschuldige, aber ich finde es peinlich, mit… Ratten zu reden.«
»Ich schätze, das ist verständlich«, sagte Keith. »Wenn du gelernt hast,
sie zu hassen, weil sie…«
»Oh, nein, es liegt nicht daran «, meinte Malizia, ging zur Tür und blickte durchs Schlüsselloch. »Es ist so… kindisch. Wie aus einem… dummen
Märchen. Wie aus… Herr Schlappohr.«
» Herr Schlappohr ?«, quiekte Pfirsiche, und es war tatsächlich ein Quieken, ein Wort, das wie ein spitzer Schrei klang.
»Was ist mit Herr Schlappohr ?«, fragte Keith.
Malizia griff in ihre Tasche und holte das Bündel mit den gebogenen
Haarnadeln hervor. »Oh, das sind einige Bücher, von einer dummen Frau
geschrieben«, sagte sie und stocherte im Schloss. »Dämliche Geschichten
für kleine Kinder. Sie erzählen von einer Ratte, einem Kaninchen, einer
Schlange, einem Huhn und einer Eule, und sie al e tragen Kleidung, und
sie sprechen mit Menschen, und alle sind so nett und freundlich, dass
einem schlecht davon wird. Weißt du, dass mein Vater sie al e aufbewahrt hat, seit seiner Kindheit? Herrn Schlappohrs Abenteuer, Herrn Schlappohrs anstrengender Tag, Rupert Ratte steht es durch… Er las mir daraus vor, als ich klein war. In keinem einzigen Buch gibt es einen interessanten Mord.«
»Du sol test besser aufhören«, sagte Keith. Er wagte es nicht, auf die
Ratten hinabzublicken.
»Es gibt keine Botschaft, keinen sozialen Kommentar…«, fuhr Malizia
fort und stocherte weiter im Türschloss. »Die interessantesten Dinge, die
geschehen, sind zum Beispiel, dass Else die Ente einen Schuh verliert –
eine Ente, die einen Schuh verliert! Den ganzen Tag suchen sie danach, und schließlich finden sie ihn unterm Bett. Das ist wohl kaum ein
angemessener Spannungsbogen. Wenn schon jemand dumme
Geschichten über Tiere schreiben muss, die sich wie Menschen verhalten,
so sol te zumindest ein wenig interessante Gewalt darin vorkommen
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