Maurice, der Kater
schweren Truhe
herein und setzte sie auf dem Tisch ab. »Wir sind Hinweisen einer Ratte
nachgegangen und haben unter einer Diele nachgesehen, Herr. Ich
schätze, es befinden sich mehr als zweihundert Dol ar in dieser Truhe.
Unrechtmäßig erworbenes Vermögen, Herr.«
»Du hast Hinweise von einer Ratte bekommen?«
Der Feldwebel zog Sardinen aus seiner Tasche. Die Ratte verzehrte
einen Keks, hob aber höflich den Hut.
»Ist das nicht ein wenig… unhygienisch?«, fragte der Bürgermeister.
»Nein, Chef, er hat sich die Hände gewaschen«, erwiderte Sardinen.
»Ich habe den Feldwebel gefragt!«
»Nein, Herr. Ein netter kleiner Bursche, Herr. Sehr sauber. Erinnert
mich an den Hamster, den ich als Kind hatte, Herr.«
»Nun, danke, Feldwebel, gute Arbeit, bitte geh und…«
»Er hieß Horaz«, fügte Doppelpunkt hinzu.
»Danke, Feldwebel, und jetzt…«
»Es tut gut, wieder kleine Wangen zu sehen, die sich beim Fressen
aufblähen, Herr.«
» Danke, Feldwebel!«
Als Doppelpunkt gegangen war, wandte sich der Bürgermeister an
Herrn Raufmann. Der Mann hatte wenigstens den Anstand, verlegen zu
wirken.
»Ich kenne ihn kaum«, sagte er. »Er ist nur jemand, der meine
Schwester geheiratet hat! Ich sehe ihn nur selten!«
»Ich verstehe«, erwiderte der Bürgermeister. »Und ich beabsichtige
nicht, den Feldwebel zu beauftragen, in deiner Speisekammer
nachzusehen.« Er lächelte dünn und schniefte leise. »Noch nicht. Und
nun… Wo waren wir stehen geblieben?«
»Ich wol te euch eine Geschichte erzählen«, sagte Maurice.
Die Stadträte starrten ihn an.
»Und dein Name lautet…?«, fragte der Bürgermeister, dessen
Stimmung sich inzwischen erheblich verbessert hatte.
»Maurice«, sagte Maurice. »Ich bin gewissermaßen ein freiberuflicher
Vermittler. Ich verstehe, dass es dir schwer fäl t, mit Ratten zu reden,
aber Menschen sprechen doch gern mit Katzen, oder?«
»Wie in Märchen?«, fragte Krickelich.
»Ja, genau, nun…«, begann Maurice.
»Zum Beispiel ›Der gestiefelte Kater‹?«, fragte Korporal Knopf.
»Ja, ja, Bücher.« Maurice warf ihm einen finsteren Blick zu. » Wie dem
auch sei… Katzen können mit Ratten reden, klar? Und ich will euch eine Geschichte erzählen. Aber zuerst möchte ich darauf hinweisen, dass
meine Klienten, die Ratten, diese Stadt verlassen und nie zurückkehren
werden, wenn ihr das wollt.«
Nicht nur die Menschen, auch die Ratten starrten ihn groß an.
»Tatsächlich?«, fragte Sonnenbraun.
»Tatsächlich?«, fragte der Bürgermeister.
»Ja«, bestätigte Maurice. »Und jetzt erzähle ich eine kleine Geschichte
über eine glückliche Stadt. Ihren Namen kenn ich noch nicht.
Angenommen, meine Klienten brechen auf und ziehen flussabwärts.
Bestimmt gibt es viele kleine Städte am Fluss. Und irgendwo wird es eine
Stadt geben, die sagt: He, wir können eine Vereinbarung mit den Ratten treffen. Und das wird eine sehr glückliche Stadt sein, weil es dann
nämlich Regeln gibt, verstehst du?«
»Nicht ganz«, sagte der Bürgermeister.
»Stell dir vor, dass in dieser glücklichen Stadt eine Frau viele Törtchen
bäckt, und sie braucht nur ins nächste Rattenloch zu rufen: ›Guten
Morgen, Ratten, ein Törtchen ist für euch, und ich wäre euch sehr
dankbar, wenn ihr den Rest nicht anrührt.‹ Und die Ratten antworten:
›Oh, schönen Dank, Verehrteste, kein Problem.‹ Und dann…«
»Soll das heißen, wir sollen die Ratten bestechen ?«, fragte der
Bürgermeister.
»Sie sind billiger als Rattenpfeifer und billiger als Rattenfänger«, sagte
Maurice. »Und es ist Lohn. Lohn wofür, höre ich dich rufen?«
»Habe ich das gerufen?«, fragte der Bürgermeister.
»Du wolltest«, erwiderte Maurice. »Und dann hätte ich gesagt: Es ist
Lohn für… Ungezieferkontrol e.«
»Was? Aber Ratten sind …«
»Sag es nicht!«, warnte Sonnenbraun.
»Ungeziefer wie Kakerlaken«, sagte Maurice glatt. »Davon gibt es hier
bestimmt jede Menge.«
»Können die ebenfal s sprechen?«, fragte der Bürgermeister. Er trug
jetzt den gequält wirkenden Gesichtsausdruck einer Person, die Maurice
für eine gewisse Zeit zugehört hatte. Dieser speziel e Gesichtsausdruck
verkündete: »Ich gehe in eine Richtung, die ich gar nicht einschlagen
wol te, aber ich weiß nicht, wie man umdreht.«
»Nein«, sagte Maurice. »Sie können ebenso wenig sprechen wie die
Mäuse und norma… äh, andere Ratten. Mit dem Ungeziefer hat es ein
Ende in der glücklichen Stadt,
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