Maurice, der Kater
kleine Stadt
erreichten. Niemand hielt sie an, obgleich sich immer wieder neugierige
Blicke auf Maurice richteten. Das störte ihn nicht. Er wusste, dass er
interessant war. Katzen gingen ohnehin so, als gehörte ihnen al es, und
die Welt war vol er dumm aussehender Jungen, und niemand eilte herbei,
um einen weiteren zu sehen.
Es schien Markttag zu sein, aber es gab nicht viele Stände, und an den
meisten von ihnen wurde Kram verkauft. Alte Pfannen und Töpfe,
gebrauchte Schuhe… Dinge, die Leute verkaufen mussten, wenn sie
knapp bei Kasse waren.
Bei den Reisen durch andere Städte hatte Maurice viele Märkte gesehen
und wusste daher, was er erwarten durfte.
»Dicke Frauen sol ten Hühner verkaufen«, sagte er. »Und es sol te
Süßigkeiten für Kinder und bunte Bänder geben. Und Akrobaten und
Clowns. Viel eicht sogar einen Wiesel-Jongleur, wenn man Glück hat.«
»Hier gibt es nichts dergleichen«, erwiderte der Junge. »Und es werden
nur wenige Dinge zum Verkauf angeboten. Du hast doch gesagt, dies sei
eine reiche Stadt, Maurice.«
»Nun, sie sah reich aus «, meinte Maurice. »All die großen Felder im Tal, die Boote auf dem Fluss… Man sol te meinen, hier seien die Straßen mit
Gold gepflastert!«
Der Junge sah auf. »Komisch«, sagte er.
»Was?«
»Die Leute sehen arm aus«, sagte er. »Es sind die Gebäude, die reich
aussehen.«
Das stimmte. Maurice war kein Experte für Architektur, aber die
Holzhäuser waren mit Schnitzereien und bunten Farben verziert. Ihm
fiel auch noch etwas anderes auf: ein Schild, ganz ohne Verzierungen,
dafür aber mit einer sehr klaren Botschaft.
Die Aufschrift lautete:
TOTE RATTEN!
50 CENT PRO SCHWANZ!
WENDET EUCH AN: DIE RATTENFÄNGER
IM RATHAUS
Der Junge starrte auf das Schild.
»Die Leute hier wollen ihre Ratten wirklich loswerden«, sagte Maurice
munter.
»Niemand hat jemals eine Belohnung von einem halben Dollar für
einen Rattenschwanz angeboten!«, brachte der Junge hervor.
»Ich habe dir ja gesagt, dass dies eine große Sache wird«, erwiderte
Maurice. »Wir sitzen auf einem Haufen Gold, bevor diese Woche zu
Ende ist!«
»Was ist ein Rathaus?«, fragte der Junge skeptisch. »Es kann doch kein
Haus für Ratten sein, oder? Und warum starren dich alle an?«
»Ich bin eine hübsche Katze«, sagte Maurice. Doch auch er wunderte
sich ein wenig. Die Leute stießen sich gegenseitig an und zeigten auf ihn.
»Man könnte meinen, sie hätte noch nie eine Katze gesehen«, murmelte
er und sah zum Gebäude auf der anderen Straßenseite. Es war ein großes,
quadratisches Haus, vor dem sich viele Menschen eingefunden hatten,
und auf dem Schild über dem Eingang stand: RATHAUS. »Das ›Rathaus‹
ist der Sitz der städtischen Regierung«, erklärte Maurice. »Mit Ratten hat
es gar nichts zu tun, so seltsam das auch erscheinen mag.«
»Du kennst dich wirklich mit Worten aus, Maurice«, sagte der Junge
bewundernd.
»Manchmal wundere ich mich über mich selbst«, erwiderte Maurice.
Eine Schlange hatte sich vor einer großen offenen Tür gebildet. Andere
Leute, die bereits Schlange gestanden hatten, kamen zu zweit oder zu
dritt aus einer zweiten Tür. Alle trugen Brotlaibe.
»Sollen wir uns ebenfalls anstellen?«, fragte der Junge.
»Nein, besser nicht«, entgegnete Maurice vorsichtig.
»Warum nicht?«
»Siehst du die Männer an der Tür?«, fragte Maurice. »Es scheinen
Wächter zu sein. Sie haben große Schlagstöcke. Und al e zeigen ihnen ein
Stück Papier, bevor sie das Rathaus betreten. Das gefällt mir nicht. Es
sieht mir zu sehr nach Regierung aus.«
»Wir haben nichts Unrechtes getan«, sagte der Junge. »Zumindest nicht
hier.«
»Bei Regierungen kann man nie wissen. Warte hier. Ich sehe mich um.«
Die Leute sahen auf Maurice hinab, als er das Rathaus betrat, aber in
einer von Ratten heimgesuchten Stadt schien eine Katze recht beliebt zu
sein, und niemand versuchte, ihn zu vertreiben. Ein Mann wollte ihn
hochheben, verlor jedoch das Interesse an ihm, als Maurice sich
umdrehte und ihm den Handrücken zerkratzte.
Die Schlange der Wartenden reichte in einen großen Saal und zu einem
auf Böcke gestellten Tisch. Dort zeigte jede Person ihren Zettel zwei
Frauen, die vor einem großen Servierbrett standen, und bekam Brot.
Anschließend gingen die Leute zu einem Mann an einem Bottich mit
Würstchen, wo sie erheblich weniger Wurst als Brot erhielten.
Der Bürgermeister beobachtete al es und sprach gelegentlich mit
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