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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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werden.
    Er streckte die Hand aus und griff nach seinem Zeremonienspeer, der dort unter seinem anderen Handwerkszeug lag. Er schloß die Augen und rammte die Spitze in die weiche Erde des Zeltbodens, wieder und immer wieder, wobei er sich vorstellte, gewaltige Blutschwälle würden aus der Erde hervorsprudeln. Speichel rann ihm aus den Mundwinkeln. Er würgte mehr Speichel hoch und hechelte wie ein Hund und sog ihn wieder ein, um ihn sodann wieder auszuspucken, alles, ohne sich dessen bewußt zu sein.
    Schließlich ließ er sich zu Boden fallen. Die wilden Bewegungen seiner Arme wurden langsamer, um dann ganz aufzuhören. Rotz troff ihm aus der Nase. Er bemerkte es nicht. Seine Kiefer mahlten in einem häßlichen Rhythmus aufeinander; seine Muskeln zuckten unkontrolliert. Er rollte sich in eine Fötalhaltung zusammen, die Knie gegen das auf seiner Brust trocknende Blut gepreßt, und zitterte.
    »Ugh. Ugh a-hugh, a-hugh.«
    Es war kein menschlicher Laut mehr.
    Als Geist zwei Stunden später erwachte, fühlte sich sein Kopf so klar und kalt an wie das Eis, das im Winter den Zweiten See bedeckt. Es ist ganz einfach, dachte er bei sich. Sie ist der Schlüssel zu allem, sie und dieser Stein. Doch wegen des Steins kann ich nichts unternehmen. Der Stein gehört Ihrdieerhaßte, und wenn ich ihn berühre, sterbe ich.
    Immer sie, immer wieder Siedieerhaßte, auch dies hier gehörte zu einer Verschwörung, die sie um ihn spann. In gewis ser Weise erstaunte es ihn überhaupt nicht; sie hatte ihn immer gehaßt (Warum?), und da es ihr bislang noch nicht gelungen war, ihn zu zerstören, hatte sie einen Abgesandten geschickt. Einen bösen Geist namens Maya, deren Augen unverhüllt offenbarten, daß sie eine Gefahr für ihn darstellte.
    Aber wer war er, daß die Götter eigens einen bösen Geist sandten, um ihn zu vernichten, daß sie ihn für so wichtig hielten?
    Nun, dann muß wohl auch ich ein Gott sein. Der Gedanke überfiel ihn mit der Wucht eines Gewitters über dem Grünen Tal.
    Ja, es war so offensichtlich.
    Er begann leise in sich hinein zu kichern - denn in demselben blindmachenden Augenblick sah er die Antwort, und auch sie war so offensichtlich.
    Er wischte sich den Speichel vom Kinn. Seine Lippen zuckten. Ganz kurz lächelte er. Dann ließ er die groteske Maske fallen. Heute nacht, dachte er. Heute nacht ist ein guter Zeitpunkt.
    Nachdem Maya dem Schamanen das Abendessen gebracht hatte, verließ sie das Geisterzelt, um für eine Weile draußen auf dem Baumstamm Platz zu nehmen. Sie lauschte dem leisen Heulen des Windes und starrte blicklos in den sternenübersäten Hi mmel. Für einen der sehr seltenen Augenblicke in ihrem Leben fühlte sie sich völlig im Einklang mit sich und der Welt. Es war, als habe sie dadurch, daß sie Geist das Geheimnis anvertraut hatte, eine schwere Last von ihren Schultern gewuchtet. Der Felsbrocken, der ihre Gedanken eingedämmt hatte, hatte sich auf magische Weise in kleine Kiesel aufgelöst, war davongetragen worden, und nun flössen ihre Gedanken so leicht und kühl wie das Licht aus den funkelnden und glitzern den Sternen hoch oben.
    Verschwommene Schatten huschten durchs Lager. Sie vernahm leise Rufe, Gelächter, Klänge eines Liedes aus dem Zelt des Mysteriums. Und doch fehlte etwas in der vertrauten, behaglichen Szenerie: der süße Duft brennenden Holzes, das Aroma gerösteten Fleisches, das warme Glühen der gelöschten Feuerstellen. Denn diese lagen dunkel und kalt, bis die Männer, die Zauber zur Beobachtung des neuen Volkes ausgeschickt hatte, zurückkehren und berichten würde, daß es nun ungefährlich sei, die Feuer wieder zu entzünden.
    Doch selbst ohne das lustige Knistern der glühenden Kohlen ist es schön, einfach nur hier zu sitzen, dachte sie, zu sitzen und über nichts nachzudenken und den Sternen zuzusehen, die hoch über ihr strahlten.
    Das leise Schaben von Füßen auf der weichen Erde des Pfades ließ sie leicht hochfahren; sie starrte der Gestalt entgegen, die sich aus den Schatten der Nacht löste.
    »Hallo, Maya«, sagte Geist. Er sprach mit gesenkter Stimme, fast ein Flüstern. Sie wußte, daß er das tat, damit Zauber ihn nicht hörte, und war ihm dafür dankbar. Er hatte Verständnis - das war das Beste an ihm. Er verstand sie, ihre Verwirrung, ihre Einsamkeit, die Art und Weise, wie Zaubers Geschichte sie in große Verwirrung gestürzt hatte. Und er verdammte sie nicht dafür, daß sie in dieses Dilemma geraten war, er sagte nicht, daß sie ein schlechtes

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