Mayabrut (German Edition)
hatten ihr Flehen erhört.
Hunraqan, der einbeinige Wirbelwind senkte sich durch die Wolken donnernd herab. Sie konnte seine großen, blitzenden Augen erkennen, hinter denen sich zwei kleine dunkle Punkte bewegten – und über seinem Kopf flimmerte der Himmel …
Hunraqans mächtiger Atem blies das Opferfeuer aus und fegte den kleinen Jaguar die Treppe hinunter, während sein Bruder sich in den Tempelbau flüchtete. Nun öffnete sich der Bauch des Donnervogels und ein Bote der Götter sprang heraus. Sie erschrak. Der Bote hatte Augen, die wie Akälajaws Zauberhelm glänzten. Als er vor ihr stand, keuchte er laut und zog etwas hervor, das ein grünes Feuer versprühte. Es war der Opferdolch von Akälajaw! Dieser Götterbote würde sie nicht retten, er war gekommen, um sie für ihren Ungehorsam gegenüber ihrem Diener zu bestrafen, er würde sie ins Totenreich Xibalba holen.
Ron landete den Huey sanft im Basiscamp. Vorsichtig trugen Cara und Jeff die Bewusstlose heraus, während Celia nebenher lief und einen Beatmungsbeutel betätigte. Wutentbrannt kam Sutin angestürzt. „Wer hat euch erlaubt, diese Schlampe hier anzuschleppen – ich wollte den Kugelkopf!“
Celia schob den Tobenden zur Seite und winkte die anderen an dem Russen vorbei. Kurz darauf versammelten sie sich in einem der Container. Behutsam betteten sie die Mayafrau auf eine weiße Liege. Celia übergab Jeff den Beatmungsbeutel und schloss daran eine Sauerstoffflasche an. Dann drückte sie Cara auf die zweite Liege. Hastig schob sie ihm und der Bewusstlosen eine Kanüle in die Armvene. Dabei erläuterte sie ihre Aktion: „Die Frau hat sich wahrscheinlich durch den eingeatmeten Rauch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung zugezogen. Außerdem scheint sie stark anämisch zu sein. Deshalb gebe ich ihr zusätzlich noch eine direkte Bluttransfusion. Da Vidal als Einziger die Blutgruppe 0 besitzt, muss ich es sofort damit versuchen – uns fehlt einfach die Zeit für die erforderlichen Tests und das Einkreuzen einer Konserve.“
Erneut polterte Sutin dazwischen: „Ich habe gefragt, warum ihr mir hier diese Schlampe angeschleppt habt und nicht den Kugelkopf?“
Celia fauchte: „Er war einfach nicht da, deshalb haben wir uns die Kleine gegriffen.“
Wütend wandte sich Sutin zur Tür, doch Celia holte ihn ein. Unauffällig raunte sie ihm ins Ohr: „Wenn wir die da durchkriegen, können wir sie ausquetschen, und mit diesem Wissen steigen auch deine Überlebenschancen.“
8. Erster Kontakt
Camp Sutin, nördliches Andengebiet
Samstag, 15. September 2012
Das Donnern des Wasserfalls ging allmählich in ein sanftes Rauschen über. Rote Schlieren waberten vor Cholaläls Augen, ihr Kopf dröhnte. Mühsam öffnete sie ihre Augenlider. Alles drehte sich, ihr wurde übel und sie flüchtete sich in die Dunkelheit zurück. Trotzdem hatte sie ein wenig von ihrer Umgebung wahrgenommen.
Sie lag in einer Schilfhütte, die ihrem Zuhause ähnelte. Neben ihr saß ein hellhäutiges Wesen, das ein fremdartiges, grünes Kleid trug. Ihre Gedanken taumelten wirr umher. War sie tot oder lebte sie noch?
Doch ihre brennenden Füße und der brummende Kopf schienen schmerzliche Lebenszeichen zu sein. Aber vielleicht waren es auch die Strafen der Götter, da sie sich einem ihrer Diener widersetzt hatte.
Dieser seltsam gekleidete Gott sah aus wie eine Frau. Aber von einem Gott in Frauengestalt hatte sie noch nie gehört. Weder Akälajaw noch ihre Mutter hatten ihr je von einer weiblichen Gottheit berichtet. Aber diese Gott-Frau konnte auch kein Mensch sein, denn außer den Geschöpfen im Yäx Tyuñ Tal hatten die Herren der Unterwelt ja keine anderen Menschen erschaffen. Die Welt ihrer Mutter und der anderen Talbewohner endete an den wolkenverhangenen Wipfeln der Berge, dem Heim der Himmelsgötter.
Oh, Mutter. Durch ihren Ungehorsam hatte ihre Mutter den Tod gefunden. Tränen krochen unter ihren Augenlidern hervor. Nun bemerkte sie das Brennen in ihrem Hals – sie musste unbedingt etwas trinken, um dieses Feuer zu löschen. Ängstlich öffnete sie die Augen. Die Gott-Frau war weg. Verzweiflung stieg in ihr auf, sie schaute sich in der Hütte um. Vor dem Dach und den Wänden hingen Schilfmatten. Am Eingang baumelte ein bunt gemusterter Vorhang, doch neben ihrem Lager stand eine mit Wasser gefüllte Schale. Langsam zog sie das weiße Tuch von ihrem Körper weg und erschrak. Ihre Beine waren bis zu den Knien mit Stoffbändern umwickelt. Ächzend versuchte sie, sich
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