Mayabrut (German Edition)
Blut abgezapft, um es dem Götterboten anzubieten.
Doch was war das? Ein merkwürdiges flatterndes Geräusch riss ihn aus seinen Grübeleien. Flapp-Flapp-Flapp. Endlich - der Bote der Götter kam. Schwermütig klang heute sein Gesang. Und dann erkannte er den Grund. Zwischen seinen starken Krallen hielt der Donnervogel irgendetwas Großes und Schweres.
Schnell zog er sich in das Innere des Tempels zurück. Noch immer verfolgte ihn das Schicksal seines Bruders, der von dem mächtigen Götterboten in die Tiefe gefegt worden war. Aber seine Ängste waren unbegründet. Ohne ihn oder das Feuer weiter zu beachten, flog der Donnervogel mit großem Abstand vorbei. Und trotzdem wehte sein Atem ins Innere des Tempels und ließ das Opferfeuer davor hell auflodern.
Vorsichtig schlich er nach draußen und schaute dem davon donnernden Götterboten hinterher. Dieser schwebte über dem Ballspielplatz und nun erkannte er auch, was da zwischen seinen Krallen baumelte. Ein riesiges Netz, das mit etwas Gelbem prall gefüllt war, senkte sich zu Boden. Die Maya verließen die Felder und strömten auf den Ballspielplatz zu. Bunte Menschentrauben fluteten die Ränge, um den Donnervogel zu beobachten. Doch plötzlich rissen die Stricke des Netzes, worauf der Donnervogel taumelnd in die Höhe schoss. Dann stürzte er auf die erschrockenen Zuschauer zu, um kurz vor ihnen abzudrehen. Sein Donneratem wehte einige die Stufen hinunter. Allmählich schien sich der Götterbote zu beruhigen, er schraubte sich langsam dem Himmel entgegen und kurz darauf verschwand er in den Wolken. Er hatte genug gesehen. Langsam stieg er in die Dunkelheit zu dem Alten hinab.
Ein Donnern riss Cholaläl aus einem wunderschönen Traum. Ihre Mutter hatte einen Stapel Maisfladen gebacken. Oh, wie sie dufteten. Als sie langsam zu sich kam, meldete sich knurrend ihr Magen. Auch ihre Blase drückte erbarmungslos. Vorsichtig erhob sie sich und stellte sich neben ihr Lager. Der Boden schwankte nicht mehr. Bedächtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die verbundenen Füße schmerzten noch, aber sie konnte nun ohne Hilfe laufen. Langsam ging sie auf den Raum mit dem kleinen Wasserfall zu.
Gebannt beobachtete sie, wie im Inneren des weißen Throns ein Wasserschwall erneut ihre gelbe Pfütze wegspülte. Dann ging sie zu dem kleinen Becken und ließ lange das warme Wasser über ihre Hände laufen. Nun entdeckte sie den eigentümlichen Kasten in der Ecke. Neugierig näherte sie sich ihm. Die Wände dieses Kastens schienen auch aus dem festen Wasser zu bestehen. Man konnte durch sie hindurchsehen, aber nicht hindurchgehen. Sie fand einen Spalt, durch den sie sich hineinzwängen konnte. Als sie es versuchte, glitten die Wände zur Seite und sie fiel hinein. Erschrocken klammerte sie sich an einen glitzernden Vorsprung. Dieser bewegte sich nach unten und es regnete. Sie schrie auf, als sie der kalte Regenschauer traf. Sofort drehte sie den Hebel herum und bald hüllte sie ein lauwarmer Regenguss ein.
In diesem Moment stürzte Celia herein und fragte aufgeregt, was passiert sei. Aufgelöst plapperte sie drauflos - aber wieso starrte Celia sie so eigenartig an und wieso verschwand sie gleich wieder?
Langsam begriff Cholaläl – sie hatte geschrien - die Götter hatten ihr wieder eine Stimme gegeben. Als sie sich mit einem weißen Fellchen abgetrocknet hatte, ging sie zu ihrer Liege. Über dem merkwürdigen Kasten an der Decke hing ein Tuch. Und dann sah sie es. An der Tür zum Raum der kleinen Wasserfälle hing jetzt ein wunderschönes Kleid. Dunkel- und hellblaue Linien gingen in ein Zick -zack-Muster über und trafen in der Mitte auf eine gelbe Sonne. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie den Stoff berührte. Noch nie hatte sie so ein farbenfrohes Kleid gesehen. Aufgeregt warf sie es sich über. Es schmiegte sich an ihren Körper wie eine zweite Haut. Doch ihr knurrender Magen zerstörte den Moment.
Celia schien es gehört zu haben, denn sie schaute kurz herein, wandte sich noch einmal nach draußen und trat dann zusammen mit Vidal ein. Wieder fragte Vidal, wie es ihr gehe.
Begeistert plapperte sie los, dass es ihr gut gehe, dass sie ein solch schönes Kleid noch nie gesehen habe und dass sie sich dafür herzlich bedanken wollte. Lachend stürzte sie auf die beiden zu und umarmte sie. Lautstark meldete sich der Hunger zurück und alle lachten.
Celia nahm sie an die Hand und führte sie in einen weiteren Raum, dann drückte sie eine weitere Wand zur Seite und vor
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