Mayabrut (German Edition)
Cholaläl ragte eine neue Welt empor. Ihr stockte der Atem. Soweit sie schauen konnte, überall wucherte üppiges Grün und ein Sternenmeer bunter Blüten leuchtete im Dunkel mächtiger Baumriesen. Bäume so groß und mächtig, dass sie den Himmel berührten. Und dann dieses Schreien und Wispern, das in ihren Ohren hallte. So viele Tierstimmen hatte sie noch nie gehört. Selbst die Frösche im Bergsee in ihrem Tal waren verstummt, man hatte sie alle verspeist. Nur noch ein paar Käfer brummten. Da war er wieder, dieser leckere Duft von gebackenen Maisfladen. Verwirrt schaute sie sich um. Und wirklich, neben der Hütte stand ein langer Tisch, der mit einem weißen Tuch gedeckt war, und darauf thronte ein Hügel mit Maisfladen. Um das Mahl herum saßen einige Hellhäutige, die auf sie zu warten schienen. Fragend schaute sie zu Vidal und Celia. Die beiden nickten ihr zu und Vidal führte sie zur Quelle ihrer Sehnsucht. Genau davor bot er ihr einen Platz an. Vorsichtig setzte sie sich auf einen weiß glänzenden Stuhl.
Langsam wich ihre Erstarrung. Gierig stürzte sie sich auf den dampfenden Hügel und stopfte sich die Fladen hinein. Dabei schaute sie sich um. Alle lächelten ihr zu, nur ein bleicher Mann mit weißen Haaren starrte sie ernst an. Neben diesem saß eine Frau mit schmalen Augen und glänzenden schwarzen Haaren, während die ihres Nachbarn wie die Sonne glänzten. Solch schönes Haar hatte sie noch nie gesehen. Unwillkürlich beugte sie sich vor, um seine Haare zu berühren. Er schien ihren Wunsch erraten zu haben und neigte sich ihr entgegen. Ein herber Duft kitzelte ihre Nase, sie musste heftig niesen. Und alle lachten, bis auf den Bleichen. Plötzlich tauchte der Götterbote am Himmel auf. Sein Flapp-Flapp-Flapp klang schwach. Er flog dicht über ihnen vorbei. Alle duckten sich und sein mächtiger Atem riss an ihren Kleidern.
Erinnerungen blitzten in ihrer Seele auf. Das war Hunraqan. Ihn hatte sie am Himmel gesehen, als sie sich vor Schmerzen am Opferpfahl krümmte und um Hilfe flehte. Und ihm entsprang auch sein Diener Himmelsherz, der ihre Fesseln durchtrennt und sie vor dem Feuertod gerettet hatte. Und dieses Himmelsherz sah genauso aus wie Vidal. Andächtig musterte sie ihn.
Krachend landete Hunraqan. Alle sprangen auf und liefen zu dem ächzenden Götterboten. Nur Vidal blieb bei ihr. Sie sah ihn an, dann kamen die Tränen. Schluchzend umarmte sie ihren Lebensretter und flüsterte: „Wokol aw-älä pusik’al pañchañ.“
Cara verstand nicht und versteifte sich. Die Frau löste ihre Umarmung. Traurig wiederholte sie ihre Worte. Endlich begriff er. Die Frau sah in ihm ihren Lebensretter und versuchte, ihm zu danken. Sie hatte ihm den Namen Himmelsherz gegeben. Auch wenn sie einen fremdartigen Ch`ol-Dialekt sprach - er hatte sie verstanden. Er nickte, dann tippte er mit einem Finger auf seine Brust und stellte sich nochmals vor: „Vidal.“
Die Unbekannte zögerte kurz, dann legte sie ihre rechte Hand auf dieselbe Stelle und flüsterte: „Cholaläl.“
Langsam wiederholte er: „Chol … al … läl?“
Aufgeregt nickte sie und verbesserte: „Cholaläl.“
Die anderen kamen mit den beiden Piloten zurück. Als sich alle gesetzt hatten, stand er auf, klimperte mit einem Löffel an sein Glas und verkündete feierlich: „Ladys und Gentlemen, darf ich vorstellen …“, und nun bat er die junge Mayafrau, aufzustehen. Zögernd folgte sie seinem Wunsch.
Aufgeregt legte sie ihre Hand auf die Brust und flüsterte: „Cholaläl“, und nachdem sie fühlte, dass man sie wohl nicht verstanden hatte, wiederholte sie lauter: „Cholaläl.“
Die Frau mit den schmalen Augen stand als Erste auf, schlug ihre Hände rhythmisch zusammen und ein klatschendes Geräusch ertönte. Nun erhoben sich alle und bewegten ihre Hände auf die gleiche Art und ein dröhnendes Klatschen hallte hoch zu den Baumwipfeln.
Dann zeigte die Frau mit den schmalen Augen auf sich und sprach mehrmals das Wort „Tori“ und setzte sich wieder.
Jetzt erhob sich der Mann mit den Sonnenhaaren und nannte sich Jeff. Sie erschrak, sie hatte noch nie einen so großen Menschen gesehen. Laut hustend erhob sich das Blassgesicht und stellte sich als Ruslan Sutin vor. Erst jetzt bemerkte sie, dass dessen Hände mit etwas Weißem überzogen waren. Schweiß bedeckte seine Stirn – der Mann sah krank aus, sehr krank.
„Ed“, kam es kurz, aber freundlich von einem kleinen Mann. Er war mit dem anderen aus dem Bauch des
Weitere Kostenlose Bücher