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Mayabrut (German Edition)

Mayabrut (German Edition)

Titel: Mayabrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Argos
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göttlichen Rolle zweifelte. Denn vor vielen, vielen Monden hatte ein Mann Akälajaw beobachtet, wie er aus dem Körper einer Verstorbenen Fleischstücke herausschnitt  und verzehrte. Akälajaw, der diesen Beobachter bemerkte,  hatte ihn angelächelt und  ihm auch davon angeboten.
    Dies war ein ungeheurer Frevel, denn als oberster Diener des Totenreiches Xibalba sollte er die Verstorbenen unversehrt den Herren der Unterwelt übergeben. Am Abend erzählte es der Mann seiner Frau und am nächsten Morgen war Akälajaws Leichenmahl das Gesprächsthema auf dem Feld. Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, marschierten die wütenden Dorfbewohner zur Pyramide.
    Akälajaws Wächter warnten ihn. Lächelnd befahl er diesen, ihm auf das Plateau der Pyramide zu folgen. Von oben sahen sie, wie sich die aufgebrachten Talbewohner unten versammelten. Die Menschen forderten lautstark von Akälajaw Aufklärung, warum er sich an ihren verstorbenen Angehörigen verging. Doch Akälajaw verhöhnte sie nur. Die Menge tobte und stürmte wutentbrannt die Treppe hinauf. Akälajaw streckte seinen Arm der Sonne entgegen. Unheimliche Laute drangen unter seinem Zauberhelm hervor. Die Ersten hatten das Plateau erreicht, als die Sonne ihr Antlitz verbarg und Dunkelheit über alle hereinbrach. Die Menschen erschraken. Verängstigt sanken sie vor ihm nieder und baten um Gnade. Doch Akälajaw kannte kein Erbarmen. Er forderte das Blut des Anführers. Die Menschen erschlugen ihn und legten ihm dessen Leiche vor die Füße. Langsam ließ Akälajaw seinen Arm sinken und die Miene des Sonnengottes erhellte sich.
    Nun kam aber seine Rache über sie. Zunächst strafte er alle, die als Erste die Pyramidenspitze erreicht und sie so entweiht hatten. Er befahl, sie zu fesseln und zu ihm auf das Plateau zu bringen. Dort schnitt er den Unglücklichen ihre Hände und Füße ab. Die verstümmelten Männer schrien so lange, bis sie der Blutverlust verstummen ließ. Den Männern folgten die Frauen, und die Kinder mussten ihre Mütter auf dieser grausamen Reise begleiten. Blutige Kaskaden stürzten die Stufen herab und das Wimmern der Sterbenden folgte den Beobachtern ein Leben lang.
    Von diesem Zeitpunkt an mussten die Bewohner ihr tägliches Blutopfer auch ohne die salzige Entlohnung erbringen. Akälajaw bestimmte sowohl die Reihenfolge der Opfer als auch den Preis für die blutige Gabe. Wer sich weigerte oder gar wehrte, den überwältigten Akälajaws Schergen. Alle seine Angehörigen, ob Frauen, Kinder, selbst die Großeltern, mussten dann Akälajaw übergeben werden; und keiner dieser Unglücklichen kam je aus seinem dunklen Reich zurück.
    Nur seine Diener und deren Familien brauchten ihm kein Blut zu opfern. Ein Privileg, das sie zu Ausgestoßenen innerhalb des Dorfes machte. Zwar wagte keiner, ihnen gegenüber offen seine Abneigung zu zeigen, aber Gesten, wie das Verstummen der Gespräche oder Auseinandergehen, wenn Bajlumkolem oder einer seiner Angehörigen sich näherte, zermürbten doch.
    Er konnte die Menschen verstehen. Er und sein Bruder waren Monster. Aber erst Akälajaw hatte sie zu diesen Monstern gemacht, denn vor langer Zeit hatte er ihn und seinen Bruder in sein Reich gelockt und durch einen Zaubertrank betäubt. Als sie erwachten, befanden sie sich in einem hölzernen Verschlag. Dort überließ er sie viele Tage der Dunkelheit und dem Hunger. Wieder und wieder schärfte er ihnen ein, dass die Götter sie zu seinen Dienern bestimmt hätten und dass es dagegen keinen Widerspruch gebe. Und er drohte ihnen. Solange sie als seine erwählten Diener das Fleisch von Menschen - die Leibspeise der Götter - verschmähten, seien sie auch keiner anderen Speise mehr würdig.
    Akälajaw ließ sie so lange hungern, bis sie an den Gittern nagten - bis sie im Dunkel um Menschenfleisch bettelten. Heute brauchte der Alte ihm nicht mehr zu drohen, damit er ihm bei seinen Mahlzeiten Gesellschaft leistete. Er aß sich satt, um die schrumpfenden Maisrationen seiner Familie nicht zusätzlich zu schmälern. Als ihm der Alte Cholaläls Feuertod befohlen hatte, erschrak er über sich selbst, da sich in ihm nichts anderes als Enttäuschung über das entgangene Fleisch regte. Und selbst als der Götterbote mit der jungen Frau davonflog, hatte er sich noch über seine Lippen geleckt.
    Erstickender Brandgeruch wehte ihm ins Gesicht. Er blickte hinunter, der Platz war leer. Keiner interessierte sich mehr für das blutige Ritual. Diesmal hatte er sich sogar selbst

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