Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
Aktivitäten auf der Insel ein, aber zu tun ist immer etwas: Man muss sich um die Kinder und die Tiere kümmern, bei Ebbe Muscheln sammeln, Netze flicken, notdürftig die Schäden beheben, die der letzte Sturm an den Häusern angerichtet hat, stricken und die Wolken zählen bis um acht am Abend, wenn die Frauen sich für die nächste Folge der Soap und die Männer zum Trinken und Trucospielen treffen. Es regnet schon die ganze Woche, stur vergießt der südliche Himmel seine Tränen, und wo beim Unwetter am Dienstag die Schindeln verrutscht sind, drückt sich das Wasser durch. Wir stellen Schüsseln drunter und sind ständig mit Lappen dabei, den Boden zu trocknen. Wenn es aufklart, klettere ich aufs Dach, denn Manuel ist aus dem Alter für akrobatische Kunststücke raus, und die Hoffnung, dass sich der Meister Reisig vor dem Frühling blicken lässt, haben wir aufgegeben. Das Tropfen des Wassers macht unsere drei Fledermäuse unruhig, die kopfunter an den höchsten Balken hängen, wo der Dusselkater sie mit seinen Tatzenhieben nicht erreichen kann. Mich graust vor diesen geflügelten Mäusen mit ihren blinden Augen, weil sie mir nachts das Blut aussaugen könnten, und wenn Manuel tausendmal behauptet, dass sie mit den transsilvanischen Vampiren weder verwandt noch verschwägert sind.
Wir sind mehr denn je vom Brennholz und dem schwarzen Eisenofen abhängig, auf dem der Teekessel immerbereitsteht für Mate- oder Schwarztee; ein zart rauchiger, würziger Duft hängt in den Kleidern und Haaren. Mein Zusammenleben mit Manuel ist ein behutsamer Tanz, er kümmert sich ums Brennholz, ich spüle, und zusammen kochen wir. Eine Zeitlang haben wir auch beide geputzt, weil Eduvigis nicht mehr kam, obwohl sie weiterhin Juanito schickte, der die schmutzige Wäsche abholte und sie sauber zurückbrachte, aber inzwischen arbeitet sie wieder bei uns.
Nach Azucenas Abtreibung war Eduvigis sehr still, ging nur ins Dorf, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und wechselte mit niemandem ein Wort. Sie wusste, was hinter ihrem Rücken über ihre Familie geredet wurde; viele warfen ihr vor, sie habe zugelassen, dass Carmelo Corrales sich an seinen Töchtern verging, aber es gab auch welche, die gaben den Töchtern die Schuld, »die haben den Alten doch verführt, der war betrunken und hat nicht gewusst, was er tut«, hörte ich sie in der Taverne zum lieben Toten sagen. Blanca erklärte mir, in den meisten Fällen setze sich die Frau nicht gegen den Missbrauch zur Wehr und es sei ungerecht, Eduvigis als Mittäterin zu verurteilen, sie sei wie die anderen in ihrer Familie ein Opfer. Sie habe sich vor ihrem Mann gefürchtet und ihm nie die Stirn bieten können. »Man hat leicht reden, wenn man selbst so etwas nie erlebt hat«, sagte Blanca. Das brachte mich zum Nachdenken, denn ich hatte zu den Ersten gehört, die Eduvigis heftige Vorwürfe machten. Weil es mir leidtat, ging ich zu ihr. Ich fand sie über ihren Waschtrog gebeugt, in dem sie mit Wurzelbürste und blauer Seife unsere Bettlaken wusch. Sie trocknete sich die Hände an der Schürze ab und bot mir ein »Teechen« an, ohne mich anzusehen. Wir setzten uns vor den Ofen, warteten, bis das Wasser kochte, dann tranken wir schweigend unseren Tee. Dass ich hier war, um mich mit ihr zu versöhnen, lag auf der Hand, es wäre ihr unangenehm gewesen, wenn ich sie um Entschuldigung gebeten hätte, und respektlos, hätte ichCarmelo Corrales erwähnt. Wir wussten beide, weshalb ich gekommen war.
»Wie geht es Ihnen, Doña Eduvigis?«, fragte ich schließlich, als wir die zweite, mit dem gleichen Beutel aufgebrühte Tasse Tee ausgetrunken hatten.
»Es muss ja. Und Ihnen, Gringuita?«
»Auch, danke. Und Ihre Kuh, ist sie gesund?«
»Ja, ja, hat aber ihre Jährchen auf dem Buckel.« Sie seufzte. »Wenig Milch. Nicht mehr lang, dann ist es vorbei mit ihr, meine ich.«
»Manuel und ich nehmen jetzt Kondensmilch.«
»Jesses! Sagen Sie dem Herrn, gleich morgen bringt der Juanito gute Milch und guten Käse.«
»Danke, Doña Eduvigis.«
»Und das Haus ist wohl auch nicht sehr sauber …«
»Nein, nein, es ist ziemlich schmutzig, was soll ich sagen.«
»Jesses! Verzeihen Sie.«
»Nein, nein, da gibt es nichts zu verzeihen.«
»Sagen Sie dem Herrn, er kann sich auf mich verlassen.«
»Also wie immer, Doña Eduvigis.«
»Ja, ja, Gringuita, wie immer.«
Danach redeten wir über Krankheiten und über Kartoffeln, wie es das Protokoll vorsieht.
Das sind die neuesten Nachrichten. Der Winter in
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