Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
ein, zu Avatar , der bei uns auf der Insel nicht gelaufen ist und den ich unbedingt sehen wollte. Manuel wäre natürlich lieber in irgendeinen düsteren Weltuntergangsfilm gegangen, Asche überall und Menschenfresserbanden, aber wir warfen eine Münze, Zahl fiel, und ich gewann wie immer. Der Trick ist unfehlbar: bei Zahl gewinne ich, bei Kopf verlierst du. Wir aßen Popcorn, Pizza und Eiskreme, was ein Festessen für mich war; nach Monaten frischer und nahrhafter Kost konnte ich ein bisschen Cholesterin gut gebrauchen.
Dr. Arturo Puga arbeitet vormittags in einem Armenkrankenhaus, wo er auch Manuel empfing, und hat nachmittags Privatsprechstunde in der Clínica Alemana, die in der reichsten Gegend von Santiago liegt. Ohne den geheimnisvollen Brief vom Millalobo, den ich ihm hinter Manuels Rücken über die Sprechstundenhilfe zukommen ließ, hätte er mich vielleicht nicht mit ins Behandlungszimmer gebeten. Der Brief öffnete mir alle Türen. Das Krankenhaus wirkte wie aus einem Film über den Zweiten Weltkrieg, altertümlich und riesig, mit unordentlich über Putz verlaufenden Leitungen, rostigen Waschbecken, gesprungenen Fliesen und blätternder Farbe an den Wänden, aber es war sauber und der Betrieb angesichts der Patientenmassen gut organisiert. Trotzdem warteten wir fast zwei Stunden in einem Raum mit einer Reihe von Metallstühlen, ehe unsere Nummer aufgerufen wurde. Dr. Puga, Leiter der neurochirurgischen Abteilung, empfing uns freundlich in seinem bescheidenen Sprechzimmer und hatte Manuels Krankenakte und seine Röntgenbilder vor sich auf dem Tisch. »In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem Patienten, junge Frau?«, wollte er wissen. »Ich bin seine Enkelin«, sagte ich, ohne zu zögern, und erntete einen bestürzten Blick von Manuel.
Manuel steht seit zwei Jahren auf der Warteliste für einemögliche Operation, und kein Mensch weiß, wie viele Jahre es noch dauern kann, bis er an die Reihe kommt, denn es handelt sich nicht um einen Notfall. Da er mit dem Bläschen in seinem Kopf über siebzig geworden ist, geht man davon aus, dass er gut noch ein paar Jahre warten kann. Die Operation ist riskant, und bei seiner Art von Aneurysma schiebt man sie möglichst lange auf in der Hoffnung, dass der Patient an etwas anderem stirbt, aber wegen der heftiger werdenden Migräneanfälle und Schwindelattacken ist bei Manuel offenbar die Zeit gekommen, etwas zu unternehmen.
Bei der herkömmlichen Methode wird der Schädel geöffnet, man dringt durch das Hirngewebe, bringt einen Clip an, der den Blutfluss in das Aneurysma verhindert, und schließt die Wunde wieder; sich davon zu erholen dauert etwa ein Jahr, und man muss mit ernsten Spätfolgen rechnen. Also wenig erfreuliche Aussichten. In der Clínica Alemana löst man das Problem allerdings über ein kleines Loch im Bein, dort wird ein Arterienkatheter eingeführt, man segelt durch die Gefäße bis zu dem Aneurysma und verfüllt es mit einem Platindraht, der sich wie ein Altweiberdutt darin zusammenrollt. Das Risiko ist viel geringer, man muss sechsunddreißig Stunden im Krankenhaus bleiben und braucht etwa einen Monat, um sich davon zu erholen.
»Elegant, einfach und völlig außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten, Herr Dr. Puga«, sagte Manuel.
»Da machen Sie sich mal keine Gedanken, Herr Arias, das regeln wir schon. Ich kann Sie operieren, ohne dass es Sie etwas kostet. Das Verfahren ist vergleichsweise neu, ich habe es in den USA gelernt, wo es bereits ein Routineeingriff ist, und muss einen Kollegen ausbilden, damit wir im Team arbeiten können. Ihre OP wäre also eine Art Unterrichtsstunde«, erklärte ihm Dr. Puga.
»Wollen Sie damit sagen, ein Meister Reisig schiebt einen Draht in Manuels Hirn?«, meldete ich mich entsetzt.
Der Arzt lachte und zwinkerte mir verstohlen zu, da fiel mir der Brief wieder ein, und ich begriff, dass das eine Verschwörung mit dem Millalobo war, der die Kosten für die OP übernehmen will, was Manuel erst erfahren darf, wenn schon alles gelaufen ist und er nichts mehr dagegen tun kann. Ich bin mit Blanca einer Meinung, dass es sich gleich bleibt, ob man wegen einer oder zwei Sachen in jemandes Schuld steht. Um es kurz zu machen: Manuel wurde in die Clínica Alemana eingewiesen, durchlief die notwendigen Voruntersuchungen, und am nächsten Tag führten Dr. Puga und sein angeblicher Lehrling den Eingriff durch, mit vollem Erfolg, wie sie uns versichert haben, auch wenn es keine Garantie gibt, dass das Bläschen stabil
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