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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Manuel«, sagte Blanca nach einer langen Pause leise.
    »Dir verzeihen? Dir habe ich nur zu danken«, sagte er.
    »Verzeih mir, dass ich so wenig verstanden habe und so blind war. Den Tätern kann niemand verzeihen, Manuel,aber vielleicht kannst du mir und meiner Familie verzeihen. Wir haben nichts getan und uns dadurch schuldig gemacht. Wir haben die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen, um nicht mitschuldig daran zu sein. In meinem Fall ist es noch schlimmer, schließlich bin ich viel gereist in diesen Jahren, ich wusste, was die ausländische Presse über die Regierung Pinochet schrieb. Lügen, dachte ich, kommunistische Propaganda.«
    Manuel zog sie an sich und umarmte sie. Ich stand tastend auf und legte eine paar Scheite nach, holte Kerzen, eine neue Flasche Wein und weiteren Tee. Im Haus war es kühl geworden. Ich breitete den beiden eine Decke über die Knie und kuschelte mich auf dem altersschwachen Sofa auf Manuels andere Seite.
    »Dann hat dir deine Großmutter also von uns erzählt, Maya«, sagte er.
    »Dass ihr befreundet ward, sonst nichts. Über die Zeit damals redet sie nicht, Felipe Vidal hat sie kaum je erwähnt.«
    »Woher hast du dann gewusst, dass ich dein Großvater bin?«
    »Mein Pop ist mein Großvater«, gab ich zurück und rückte von ihm ab.
    Was er da sagte, war so ungeheuerlich, dass ich eine kleine Ewigkeit brauchte, bis mir die Tragweite klar wurde. Wie mit der Machete bahnten sich die Worte eine Schneise in meinen dumpfen Kopf und mein wirres Herz, aber ich bekam ihre Bedeutung nicht richtig zu fassen.
    »Ich verstehe nicht …«, flüsterte ich.
    »Andrés, dein Vater, ist mein Sohn«, sagte Manuel.
    »Das kann nicht sein. Meine Nini hätte das doch nicht über vierzig Jahre für sich behalten.«
    »Ich dachte, du wüsstest es, Maya. Du hast doch zu Dr. Puga gesagt, dass du meine Enkelin bist.«
    »Damit er mich in sein Sprechzimmer lässt!«
    Im Jahr 1964 arbeiteten meine Nini als Sekretärin undManuel als Hilfskraft für einen Lehrstuhl an der Fakultät; sie war zweiundzwanzig und frisch mit Felipe Vidal verheiratet, er war siebenundzwanzig und hatte ein Stipendium für seine Promotion in Soziologie an der New York University in der Tasche. Die beiden waren als Jugendliche ineinander verliebt gewesen und hatten sich dann einige Jahre nicht gesehen, doch als sie sich nun zufällig wiedertrafen, wurden sie überwältigt von einem neuen und drängenden Begehren, das mit ihrer unschuldigen Jugendschwärmerei nichts mehr zu tun hatte. Die Affäre fand ein schmerzhaftes Ende, als er nach New York abreiste. Felipe Vidal machte damals eine steile Karriere als Journalist, berichtete aus Kuba, ahnte nichts vom Betrug seiner Frau und zweifelte deshalb auch nie daran, dass der Sohn, der 1965 geboren wurde, von ihm stammte. Er wusste nichts von Manuel Arias, bis die beiden eine Folterzelle teilten, hingegen hatte Manuel den beruflichen Aufstieg des Reporters aus der Ferne verfolgt. Die Liebe zwischen Manuel und Nidia war mehrfach unterbrochen worden, bei jedem Wiedersehen jedoch unvermeidlich neu aufgeflammt, bis Manuel 1970 schließlich heiratete, in dem Jahr, als Salvador Allende zum Präsidenten gewählt wurde und sich die politische Katastrophe anzubahnen begann, die drei Jahre später im Militärputsch eskalieren sollte.
    »Weiß mein Vater das?«, wollte ich von Manuel wissen.
    »Ich glaube nicht. Nidia fühlte sich schuldig wegen dem, was zwischen uns geschehen war, es sollte um jeden Preis geheim bleiben, sie wollte es vergessen, und ich sollte es auch vergessen. Sie hat es nie erwähnt bis letztes Jahr im Dezember, als sie mir wegen dir schrieb.«
    »Deshalb hast du mich bei dir aufgenommen, verstehe.«
    »Nidia schrieb mir hin und wieder, deshalb wusste ich, dass es dich gibt, Maya, und als Tochter von Andrés warst du meine Enkelin, aber ich hielt das nicht für wichtig, ich dachte, ich würde dich nie kennenlernen.«
    Die nachdenkliche und vertraute Atmosphäre, die noch eben zwischen uns geherrscht hatte, wich einer heftigen Anspannung. Manuel war der Vater meines Vaters, in unseren Adern floss das gleiche Blut. Das löste keine herzzerreißenden Reaktionen aus, wir fielen einander nicht rührselig in die Arme, vergossen keine Tränen des Wiedererkennens; ich spürte vielmehr diese bittere Härte meiner schlimmen Zeiten, was mir in Chiloé zuvor nie passiert war. Wie ausgelöscht waren die Monate der Neckereien, der gemeinsamen Arbeit und des Zusammenlebens mit Manuel;

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