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Mayday

Mayday

Titel: Mayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas H. Block , Nelson DeMille
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Jetzt erkannte er, daß dieses Morgen bereits da war. Und die heutige Situationsethik, wie James Sloan sie praktizierte, bewirkte oft mehr Unglück und hatte schlimmere Folgen als der starre Sittenkodex von gestern. Diese galoppierende Technikgläubigkeit ohne klare Moralbegriffe und Verantwortlichkeiten hatte den Absturz der Straton 797 verursacht. Und sie war an Leutnant Peter Matos’ Tod schuld. Hennings hatte versucht, sich den neuen Umständen anzupassen, aber er war dadurch nur an einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit mitschuldig geworden.
    Er hörte, daß 200 Meter hinter ihm die Triebwerke des auf dem vorderen Aufzug stehenden Kurierflugzeugs angelassen wurden. Die anderen würden ihn bald suchen. Kapitän z. S. Diehl und einige seiner Offiziere würden an Deck kommen, um ihn zu verabschieden, bevor sie sich wieder wichtigeren Aufgaben zuwandten.
    Randolf Hennings starrte in das schäumende Kielwasser. Er dachte an seine Kameraden, die auf See gefallen und dort bestattet worden waren. Ihr Leben war kürzer als seines gewesen, aber sie waren gestorben, bevor irgend etwas ihre Heldentaten auslöschen konnte.
    Hennings glaubte, daß Meer und Land am Jüngsten Tag ihre Toten hergeben und auch ihre Geheimnisse preisgeben würden. Dann würden Menschen ihre Mörder, ihre Henker, ihre Feinde, die falsches Zeugnis gegen sie abgelegt hatten, und die anderen, deren Fahrlässigkeit oder Dummheit ihnen den Tod gebracht hatte, anklagen. Und Gott würde alle Menschen richten, wie sie es verdient hatten.
    Er hörte eine Lautsprecherstimme in der Ferne seinen Namen rufen.
    Randolf Hennings schlüpfte unter der Sperrkette durch und war mit wenigen Schritten an der Hinterkante des Flugdecks. Er blieb nicht erst stehen, sondern machte den nächsten Schritt ins Leere, fiel an dem Sicherheitsnetz und dem flatternden Sternenbanner vorbei und verschwand unbemerkt in dem weißschäumenden Kielwasser des Flugzeugträgers Chester W. Nimitz.
     

16
     
    John Berrys Schultern und Arme schmerzten, weil er die Straton 797 in verkrampfter Haltung steuerte, und sein Körper begann jetzt, auf die Anstrengungen während des mühsamen Abfangens aus dem Sinkflug und auf seine Prügelei mit McVary zu reagieren. Gesicht und Arme waren mit blauen Flecken übersät, und er spürte, wie steif seine Gelenke waren. Er hatte dumpfe Kopfschmerzen und rotgeränderte Augen. Jetzt starrte er die Treibstoffanzeigen an. Die Tanks waren zu weniger als einem Achtel gefüllt. »Wie spät?«
    Sharon sah auf die Uhr, die weiterhin Pazifikzeit anzeigte. »Fünf vor sechs, John.«
    Die gelbe Warnleuchte, die ihm anzeigte, daß der Autopilot ausgeschaltet war, brannte seit drei Stunden gleichmäßig hell. Berry fühlte irrationalen Haß gegen das defekte Gerät in sich aufsteigen. »Sharon, kannst du einen Augenblick das Steuer übernehmen?«
    Sie griff mit beiden Händen nach dem Steuerhorn.
    Berry reckte sich und rieb sich die brennenden Augen. Die Schwimmweste war unbequem, aber in 900 Fuß Höhe – weniger als eine Minute bis zum Wasser – hielt er es für richtig, daß sie alle drei eine trugen. »Wer als erster Land sieht, kriegt eine Flasche Champagner – wie auf einem Schiff.«
    »Und ich will in New York zum Abendessen eingeladen werden, falls wir den Flughafen erreichen.«
    »Wird gemacht. Und du Linda?« Berry drehte sich nach ihr um. »Was willst du nach der Landung?« Er bedauerte diese Frage, sobald er sie gestellt hatte.
    Linda Farley zuckte mit den Schultern. »Ich will was zum Trinken. Und ich will sehen, ob meine Mutter … wie’s ihr geht.«
    Berry sah wieder nach vorn. Er starrte aufs Meer hinunter.
    Der Seegang hatte deutlich nachgelassen, aber einzelne Wogen waren noch immer so hoch, daß sie eine notgewasserte Straton überflutet hätten. Am Himmel hingen Schönwetterkumuli, die Wattebäuschen glichen. Berrys Schätzung, daß sie bis 18 Uhr Land sichten würden, hatte ihre Hoffnungen zu hoch geschraubt. Sharon und Linda schienen sich an jedes seiner Worte zu klammern. Er würde sich in Zukunft mit seinen Prognosen vorsehen müssen.
    Er betrachtete die Konsole mit den Funkgeräten. Den Radiokompaß des Captains hatte er auf das Funkfeuer Salinas Station südlich von San Francisco eingestellt. Sharon hatte das Gerät des Kopiloten auf die Frequenz des Platzfunkfeuers San Francisco eingestellt. Trotz der beschränkten Reichweite dieser Empfänger hoffte Berry, wenigstens einen dieser beiden Plätze anpeilen zu können – außer er war

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