Mayday
Lider hoch. Die Pupillen waren etwas geweitet. Die Atmung war flach, aber regelmäßig. Berry sah zu Linda auf. »Hat er sich in der Zwischenzeit bewegt?«
Linda Farley nickte. »Er hat kurz die Augen geöffnet. Er hat auch etwas gesagt, aber ich hab’s nicht verstanden.« Sie deutete auf Stuart. »Der hat sich überhaupt nicht gerührt.«
Berry beugte sich über den Captain, der unregelmäßig atmete. Er stellte fest, daß Stuarts Pupillen auffällig geweitet waren und daß sein Puls kaum mehr zu fühlen war. Der Mann lag offenbar im Sterben.
Berry richtete sich auf und betrachtete McVary nachdenklich. Falls der Kopilot wieder zu Bewußtsein kam und bei klarem Verstand war, hatten sie vielleicht noch eine Chance. Das Flugzeug war steuerbar. Es brauchte nur einen Piloten. Berry traute sich diese Aufgabe zu, wenn jemand ihm die nötigen Anweisungen gab – vom Boden aus über Funk oder durch diesen Kopiloten. Falls keine Hilfe kam, würde er bei vollem Bewußtsein das unvermeidliche Ende abwarten müssen. Er war nahe daran, die anderen zu beneiden.
»Pst, ich hab’ was gehört!« flüsterte Linda.
Berry schrak zusammen, hielt den Atem an und horchte angestrengt.
»Auf der Treppe«, erklärte sie ihm leise.
Er nickte. Die Wendeltreppe, die aus der Ersten Klasse heraufführte, knarrte hörbar. Berry sah sich um. »Hast du irgendeine Waffe gefunden?«
»Tut mir leid, daran hab’ ich nicht mehr gedacht.«
Die Schritte auf der Treppe waren jetzt deutlich zu hören. Sie kamen langsam, zögernd näher. Berry hatte den Eindruck, dort komme ein einzelner Mensch die Treppe herauf, aber das konnte täuschen.
Er machte einen raschen Rundgang durch den Salon und hielt nach einer Verteidigungswaffe Ausschau. Die Barhocker waren festgeschraubt, die Flaschen mit Spirituosen waren winzig, und das Messer für die Zitronen und Limonen fehlte. Berry fluchte halblaut vor sich hin. Fast alle beweglichen Gegenstände waren über die Wendeltreppe nach unten gesaugt worden. Er suchte verzweifelt nach einem Aktenkoffer, einem Schirm oder dem weißen Stock des Blinden, aber er wußte, daß er nichts finden würde. Die Schritte wurden immer lauter.
Linda kreischte.
Berry sah zur Treppe hinüber und erkannte den Kopf eines Mannes. »Los, geh nach vorn ins Cockpit!« rief er dem Mädchen zu. »Beeil dich!«
Dann lief er zu dem toten Flugingenieur hinüber, kniete neben ihm nieder und zog Carl Fessler den Gürtel aus der Hose. Er wickelte ihn sich um die rechte Faust, die nach dem Kinnhaken von vorhin noch immer schmerzte. Die massive Gürtelschnalle ließ er frei herabhängen.
Berry richtete sich auf, lief zur Treppe und sah einen großen, kräftigen Mann, der zu ihm aufblickte. »Halt!«
Der andere blieb stehen.
Als Berry merkte, daß der andere sich nur nach vorn fallen zu lassen brauchte, um seine Knöchel zu erreichen, machte er hastig einen Schritt rückwärts. »Zurück!« Er hob die Hand mit dem Gürtel.
Der Mann zögerte.
Berry wußte, daß er an diesem Platz jeden daran hindern konnte, gegen seinen Willen die Treppe heraufzukommen. Aber er konnte nicht ewig hier stehenbleiben. Er überlegte, ob er dem Mann ins Gesicht treten sollte. »Verschwinde!«
Der andere wich eine Stufe weit zurück. Er starrte Berry verständnislos an. Dann öffnete er den Mund, setzte zweimal an und fragte schließlich: »Wer sind Sie?«
John Berry kam näher und starrte ihn prüfend an. Der Mann hatte sich offenbar übergeben, aber sein Gesichtsausdruck wirkte vernünftig. Sein Blick war verständig. Er hatte keine Blutflecken auf seinem weißen Hemd und sabberte nicht unkontrollierbar.
»Wer sind Sie?«
»Harold Stein.«
»Woher sind Sie?«
»Was?«
»Sagen Sie mir Ihre Heimatadresse.«
Der Mann wich noch eine Stufe zurück. »Wo ist der Pilot? Ich bin auf der Toilette gewesen, als …«
»Antworten Sie, verdammt noch mal! Sagen Sie mir Ihre Heimatadresse!«
»Chatham Drive, Bronxville.«
»Welcher Tag ist heute?«
»Dienstag. Nein, Mittwoch. Hören Sie, wer sind Sie? Großer Gott, Mann, ist Ihnen nicht klar, was unten passiert ist? Wo ist der Pilot?«
Berry holte tief Luft und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen. Sie waren also zu dritt! »Mit Ihnen ist alles in Ordnung?« fragte er heiser.
»Ja, soviel ich weiß.« Stein begriff allmählich, was passiert war. »Die Leute dort unten …«
»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach Berry ihn. »Kommen Sie herauf, Mr. Stein.«
Harold Stein zögerte.
Berry trat zurück. Er
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