Mayday
noch unklar? Eigentlich nichts, was ihn anging. Matos ließ den Sprechknopf ungedrückt. Er sah nach vorn. Die Straton 797 hielt ihren Kurs und ihre Höhe mit unbeirrbarer Präzision. So genau konnte kein menschlicher Pilot fliegen. Matos beobachtete die Verkehrsmaschine eine Minute lang und wußte dann sicher, daß sie von ihrem Autopiloten geflogen wurde. Matos lehnte sich zurück. Commander Sloans erste Anweisungen waren etwas verwirrend gewesen. Matos hatte sofort vermutet, daß Sloan auf irgend etwas hinauswollte – und er hatte geahnt, worum es sich handeln würde. Obwohl dieser Befehl jetzt wirklich erteilt worden war, erschien er ihm kaum glaublich.
Der Leutnant überlegte, welche Möglichkeiten ihm offenstanden. Eigentlich gab es keine Alternative, die nicht mit großen Unannehmlichkeiten verbunden gewesen wäre. Die Tatsachen waren ganz einfach: Die Straton war vom Kurs abgekommen, an Bord gab es keine Überlebenden, die beschädigte Maschine bildete eine Art Verkehrshindernis, und höchste Kommandobehörden wollten, daß sie abgeschossen wurde. Matos brauchte nur seinen Befehl auszuführen. Die Verantwortlichen würden für alles sorgen. Sie würden Peter Matos in Schutz nehmen, nachdem er seinen Auftrag ausgeführt hatte.
Er warf einen Blick auf seine Treibstoffanzeige. Weniger als halb voll. Dann sah er auf den Kompaß. Mit jeder Minute, die er hier vergeudete, entfernte er sich weiter von der Nimitz. Jede Minute Verzögerung bedeutete einen um so längeren Heimflug. Matos sah wieder auf seine Borduhr. Inzwischen waren bereits drei Minuten verstrichen. Er spürte den verzweifelten Drang, diese Sache innerhalb der nächsten Minuten abzuschließen. Er sehnte sich nach seiner Koje an Bord der Nimitz. Er wollte heim.
Matos schob alle störenden Überlegungen beiseite und machte sich daran, die F-18 in die beste Position für den Raketenangriff zu bringen.
Er mußte sich ganz auf die technischen Schwierigkeiten dieser anspruchsvollen Aufgabe konzentrieren. Die schwerbeschädigte Straton war ein großes, stabiles Ziel, aber allein ihre Größe warf neue Probleme auf. Wie viele Luft-Luft-Raketen ohne Sprengkopf waren nötig, um sie zum Absturz zu bringen? Eine hatte nicht genügt. Vielleicht genügte nicht einmal ein halbes Dutzend. Und Matos hatte nur noch eine Rakete zur Verfügung …
Die Phoenix-Rakete würde die Straton treffen. Daran bestand kein Zweifel. Das konnte sie automatisch. Aber sie mußte eine bestimmte Stelle treffen. Er mußte sozusagen einen Kopfschuß anbringen.
Als er sich jetzt ernsthaft mit dem Problem befaßte, lag die Lösung plötzlich auf der Hand: Er mußte dicht ans Cockpit heranfliegen und seine Rakete aus Kernschußweite abfeuern. Da sie keinen Sprengkopf hatte, konnte er das tun, ohne seine eigene Maschine übermäßig zu gefährden. Sofort nach dem Schuß mußte er steil wegkurven. Die Phoenix würde das Cockpit treffen, bevor ihr kompliziertes Zielsuchsystem ansprechen und sie gegen die Mitte der Straton steuern konnte. Matos grinste unwillkürlich. Auf diese Weise würde er die Absichten der Konstrukteure dieser Waffe vereiteln. Der Pilot war eben noch immer entscheidend.
Matos war sich darüber im klaren, daß er bei der Bestimmung des besten Schußwinkels einen Kompromiß würde schließen müssen. Er steuerte seine F-18 auf die Backbordseite der Straton. Der kleine Schatten seiner Maschine glitt über den silberglänzenden Rumpf des riesigen Verkehrsflugzeuges. Matos sah nach unten. Normalerweise hätte er das Ziel von der Seite anfliegen müssen, aber das wäre diesmal zu riskant gewesen. Bei Handabfeuerung hätte er den Vorhaltewinkel schätzen müssen
– und dabei bestand die Gefahr, daß er die Straton ganz verfehlte.
Er fiel etwas zurück und nahm seine vorige Position wieder ein: 100 Meter hinter der Straton und leicht überhöht, so daß er die Rumpfoberseite vor sich hatte. Die Phoenix mußte aus dieser 6-Uhr-Position abgefeuert werden, damit sie die Kuppel traf, unter der Salon und Cockpit lagen. Matos mußte den Schußwinkel so wählen, daß die Rakete durch den Salon eindrang, das Cockpit durchschlug und unterhalb des Radarbugs wieder austrat. Damit war das gesamte Cockpit zerstört. Er streckte die linke Hand nach dem Spiegelvisier über der Sonnenblende aus und klappte es herunter. Als er hineinsah, schien das Fadenkreuz auf und ab zu tanzen, weil die relative Position der beiden Flugzeuge sich noch verhältnismäßig ruckartig veränderte.
Matos
Weitere Kostenlose Bücher