Mayday
dich eben anrufen, Ed. Wie sieht’s aus?«
»Schlecht«, antwortete Johnson lakonisch. »Es handelt sich um eine Straton 797.«
»Ach, Scheiße!« Johnson und er hatten einmal in einer Bar zusammengesessen und sich mit ihrer gegenseitigen Gefährdung durch das Straton-Programm aufgezogen. Metz hatte sich sehr darum bemüht, daß die Trans-United Airlines die Haftpflichtversicherung für ihre ganze Flotte bei seiner Gesellschaft abschlossen. Er hatte niedrigere Prämien als die Konkurrenz geboten und auf die Vorteile verwiesen, die sich daraus ergaben, daß der übliche, aber oft umständliche Versicherungspool wegfiel. Und Johnson hatte zu den Befürwortern dieses Abschlusses gehört. Außerdem hatte er Metz einmal – nach dem dritten Martini – anvertraut, seine Karriere sei aus verschiedenen Gründen eng mit dem Erfolg oder Mißerfolg der Überschallmaschinen verknüpft. »Wo ist sie abgestürzt? Wie viele sind tot?«
»Sie ist auf dem Flug nach Japan gewesen. Eine gute Nachricht ist, daß die Maschine noch fliegt und daß es nicht viele Tote gegeben hat … noch nicht. Aber die schlechte Nachricht ist viel schlimmer, als du dir vorstellen kannst.« Johnson machte eine kurze Pause. »Eine Bombe hat zwei Löcher in den Rumpf gerissen, und der Kabinendruck ist schlagartig entwichen. Die Passagiere sind einer explosiven Dekompression ausgesetzt gewesen. Wie du vielleicht weißt, ist der Luftdruck dort oben so gering, daß selbst Sauerstoffmasken wirkungslos sind.«
Davon wußte Metz nichts. Niemand hatte ihm gegenüber von dieser Möglichkeit gesprochen, und er hatte es unterlassen, sichüber die Gefahren des Überschallflugs zu informieren. Er holte tief Luft. »Was weißt du über die Verfassung der Passagiere?«
Johnson antwortete nicht gleich. »Wir wissen nichts Bestimmtes, verstehst du, aber wir hier unten – und die dort oben
– sind uns darüber einig, daß sie hirngeschädigt sein müssen.« »Großer Gott! Wißt ihr das bestimmt?« »Ich hab’ dir doch gesagt, daß wir nichts Bestimmtes wissen,
Wayne. Aber ich würde jede Wette darauf eingehen.«
Metz erkannte, daß er noch längst nicht alles begriffen hatte.»Die Überlebenden … wie haben sie …«
»Wir stehen mit ihnen über das Data-Link-Gerät – eine Art Fernschreiber – in Verbindung. Die Funkgeräte sind ausgefallen. An Bord gibt es offenbar nur fünf geistig normale Überlebende. Sie scheinen alle auf der Toilette gewesen zu sein.«
»Warum gerade dort?«
»Weil sich der Druck dort am besten gehalten hat, Wayne«, antwortete Johnson. »Ich schlage vor, daß du so schnell wie möglich herkommst – und ein dickes Scheckbuch mitbringst!«
Metz schüttelte seine Benommenheit ab. »Hör zu, Ed, diese Sache kann uns beiden das Genick brechen. Wie viele Menschen sind an Bord?«
»Die Maschine ist praktisch voll besetzt. Ungefähr dreihundert Passagiere.«
»Wann landet sie?«
»Vielleicht nie.«
»Was soll das heißen?«
»Sie wird von einem der Passagiere geflogen. Unsere …«
»Langsam, Ed!« unterbrach Metz ihn. »Habe ich richtig verstanden, daß ein Passagier am Steuer sitzt?«
»Unsere Piloten sind bewußtlos«, bestätigte Johnson. »Von der Besatzung sind nur zwei Stewardessen einsatzfähig. Der Passagier am Steuer – ein gewisser Berry – ist ein Sportflieger. Er scheint mit der Straton zurechtzukommen. Sie befindet sich inzwischen auf dem Rückflug, aber ihre genaue Position ist unbekannt. Außerdem bezweifle ich, daß Berry eine so große Maschine landen kann.«
Wayne Metz war buchstäblich sprachlos. Er drückte den Telefonhörer ans Ohr und sah auf die Straße, aber in Gedanken war er Tausende von Kilometern entfernt – im mittleren Pazifik. Er versuchte, sich die Szene vorzustellen. Irgendwo über dem endlosen Meer flog eine riesige Straton 797 mit zwei Löchern im Rumpf und zahllosen Toten und Hirngeschädigten an Bord … ein Toten- und Narrenschiff, das von einem angeblich normalen Passagier gesteuert wurde.
»Wayne? He, bist du noch da?«
»Was? Ja. Ja, ich bin hier. Laß mich nachdenken. Augenblick, Ed.« Während er die unglaublichen Tatsachen, die er eben gehört hatte, zu verarbeiten versuchte, hatte er unwillkürlich den Fuß vom Gas genommen. Sein Mercedes rollte jetzt mit weniger als 40 Meilen auf der linken Fahrspur dahin.
Der Mann in dem schrottreifen blauen Ford hinter Metz hupte empört, überholte dann rechts und starrte den Mercedesfahrer aufgebracht an. Metz nahm den Ford kaum wahr,
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