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Mayday

Mayday

Titel: Mayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas H. Block , Nelson DeMille
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unternehmen mußte. Er mußte etwas für sie tun. Wenn er ihren Verstand nicht zurückbringen konnte, mußte er zumindest ihre Körper davor bewahren, von den anderen verstümmelt zu werden.
    Dann stand er auf der Wendeltreppe, ohne es recht zu merken. Er erinnerte sich kurz an Berrys Ermahnungen, die Stellung zu halten. Eigentlich war es seine Pflicht, hier am Höllentor Wache zu stehen. Der Teufel sollte Berry holen! Der Teufel sollte sie alle holen! Er konnte nicht länger warten. Nicht auf Berry, nicht auf Barbara Yoshiro, auf niemanden.
    Er drehte sich nach dem Cockpit um. Berry und Crandall waren beschäftigt. Ein Blick zum Klavier hinüber zeigte ihm, daß Linda Farley halb schlafend auf dem Boden hockte. Stein sah nach unten. Die Treppe war frei. Vielleicht wurde sie nie wieder frei. Er hastete die Stufen hinunter.
    Am Fuß der Treppe sah Stein sich vorsichtig um. Überall lagen Passagiere. Einige lehnten an den Wänden der Sanitärzelle. Sie schienen zu rasten – wie wilde Tiere, die sich ausgetobt haben. Aber er hatte den Verdacht, daß dieser Zustand nicht lange anhalten würde.
    Die Menschen in seiner Nähe wimmerten leise oder schwatzten vor sich hin. Gelegentlich bildete er sich ein, deutlich ausgesprochene Worte oder einen ganzen Satz zu hören, aber er wußte, daß das Sinnestäuschungen waren. Er sehnte sich so verzweifelt nach einer verständnisvollen Menschenseele, daß er aus den tierischen Lauten, die diese blutverschmierten Münder ausstießen, einen menschlichen Dialog zusammensetzte.
    Stein machte einen Bogen um den Küchen- und Sanitärblock und bewegte sich vorsichtig nach hinten weiter.
    Wenige Meter von ihm entfernt hockte Barbara Yoshiro auf dem Boden. Sie hielt den Kopf zwischen ihren Knien vergraben, so daß ihr langes schwarzes Haar das Gesicht verdeckte. Stein trat rasch auf sie zu. Sie konnte ihm helfen, seine Familie in den Salon hinaufzubringen. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Barbara? Barbara, ist Ihnen nicht gut?«
    Die Stewardess hob den Kopf.
    Stein wich zurück. Das Gesicht, das ihn anstarrte, war verzerrt und blutverschmiert. »Barbara …« Aber dort hockte nicht Barbara Yoshiro, sondern eine andere Stewardess, an die er sich vage erinnerte.
    Er suchte verzweifelt weiter nach Barbara Yoshiro. Er legte die Hände als Sprachrohr an den Mund und rief in die schwach beleuchtete Touristenkabine hinein: »Barbara! Stewardess!«
    Eine kreischende Stimme imitierte ihn: »Burburda! Tuuudis!«
    Stein schlug die Hände vors Gesicht und sackte auf einer Sitzlehne zusammen. Seine Schultern zuckten.
    Dann ließ er langsam die Hände sinken und sah auf. Er suchte zögernd die mittleren Sitzreihen ab, bis er die Reihe fand, in der er gesessen hatte. Nur Debbie und Susan saßen noch auf ihren Plätzen. Miriam war verschwunden.
    Debbie versuchte aufzustehen, aber ihr angelegter Gurt hinderte sie daran.
    Susan war zur Seite gefallen, lag halb auf dem nächsten Sitz und streckte ihre gefalteten Hände steif nach vorne aus.
    Harold Stein bewegte sich mit schleppenden Schritten auf seine Töchter zu. Er blieb vor ihnen stehen und sah auf sie herab. »Debbie. Debbie, ich bin’s – Papa. Debbie!«
    Seine Tochter sah desinteressiert zu ihm auf und bemühte sich dann hartnäckig weiter, aus ihrem Sessel aufzustehen. Dabei stieß sie unverständliche Laute aus.
    Susan atmete, aber ihre Erstarrung löste sich nicht einmal, als ihr Vater sie wachzurütteln versuchte.
    In diesem Augenblick erkannte Harold Stein, daß es weder für seine Angehörigen noch alle anderen die geringste Hoffnung auf Rettung gab. Und er wußte jetzt, was er zu tun hatte.
    Er wandte sich ab, hastete den Gang hinunter und stieß die Torkelnden, die ihm in die Quere kamen, grob beiseite.
    Stein entdeckte Miriam im Flugzeugheck, wo sie ziellos umherzuirren schien. »Miriam! Miriam!«
    Sie reagierte nicht.
    Er wußte, daß es zwecklos war, ihre Namen zu rufen oder sich einzubilden, seine Angehörigen seien noch die gleichen Menschen wie vor einigen Stunden. Dieses wandelnde Gespenst, das da vor ihm stand, war nicht seine Frau.
    Stein griff nach Miriams Arm und führte sie zu den Sitzen, die für ihn und seine Familie reserviert gewesen waren.
    Er löste die Gurte der beiden Mädchen, nahm Susan über die linke Schulter und zog Debbie hoch. Dann wechselte er mit der freien Hand zwischen Miriam und Debbie ab und schob die beiden vor sich her zu dem mit zahllosen Wracktrümmern übersäten Teil der Kabine.
    Die beiden

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