Mayra und der Prinz von Terrestra (German Edition)
verzog das Gesicht. „Ja, das ist in der Tat gewöhnungsbedürftig. Schulen gibt es auf Terrestra überhaupt nicht, und kaum eine Familie hat das Geld für einen Privatlehrer.“
„Und was machen die Kinder den ganzen Tag?“ Mayra war verwirrt.
„Arbeiten!“ kam es von Ursula. „Komm, iss, du musst doch Hunger haben!“, ermunterte sie Mayra.
Aber Mayra hatte keinen Hunger. „Danke, nein!“
Ursula lächelte sie beruhigend an: „Man muss aber auch sehen, dass das technologische Niveau auf Terrestra so niedrig ist, dass es nicht wirklich Schulbildung braucht, um zu bestehen. Die Kinder lernen das Handwerk ihrer Eltern und haben so alles, was sie zum Überleben brauchen.“
Mayra war nicht wirklich überzeugt. Sie hatte aber auch keine Lust, mit Ursula weiter darüber zu reden, und wechselte das Thema: „Ich weiß nicht, was ich mir vorgestellt habe. Hier ist so viel Raum, ich meine, so viel Land, das überhaupt nicht bebaut ist.“
Ursula nickte. „Ja, das hat mich am Anfang auch erstaunt. Dass es hier fruchtbaren Boden gibt, der nicht landwirtschaftlich genutzt wird. Natürlich gibt es auch anderswo Kolonien, wo nur wenige Menschen leben. Aber dass ein Planet in idealem Abstand zu seiner Sonne, der so ohne jede chemische Hilfsmittel eine Vielzahl an Tieren und Pflanzen hervorbringt, nun, so wenig Menschen trägt und so sehr sich selbst überlassen wird, das ist wirklich merkwürdig.“
Mayra beobachtete, wie die Sonne langsam hinter dem Hügel versank, der Steinturm in der Mitte der Kuppe sich schwarz, der Himmel darüber sich orange und rot und violett färbte. Noch nie hatte sie einen solchen Sonnenuntergang erlebt.
Ursula war noch ganz in ihren Überlegungen gefangen. „Ich vermute, dass es daran liegt, dass es nur eine kleine Gruppe war, als die Kolonie gegründet wurde. Es wohnen jetzt sicher mehr Menschen auf Terrestra als zu der Zeit, als die Kolonie von der Föderation abgeschnitten wurde. Es ist ein Wunder, dass die Kolonisten ohne Nachschub überlebt haben.“
Eine Pause entstand, die sich unangenehm hinzog. Mayra riss sich zusammen und knüpfte das Gespräch wieder an. „So ganz ohne Maschinen. Ich wüsste gar nicht, wie das geht. Sie mussten alles anders machen.“ Der Himmel hinter dem Hügel färbte sich nun in dunkelvioletten Tönen.
Ursula nickte. „Es ist einem gar nicht so bewusst, wie sehr unser Leben von Robotern abhängt, die unser Essen aufwärmen, Gleitern, die uns transportieren, und Titankonstruktionen, die uns sicher behausen. Oder es ist einem nicht bewusst, bis man Terrestra gesehen hat.“
Mayra war von dem Spiel der Farben gefangen. Fast mechanisch meinte sie: „Für mein Schulprojekt habe ich mir jedenfalls ein lohnendes Objekt ausgesucht.“
„Was genau ist denn dein Thema?“, wollte Ursula wissen.
Diese Frage riss Mayra aus ihren Träumereien. Ein Thema zu finden, das sie selbst interessierte und von ihrer Mutter akzeptiert würde, war ein Problem. „Ich kann es mir frei aussuchen. Am liebsten würde ich ja etwas über Heilen und die medizinische Versorgung machen“, sagte sie vorsichtig.
Ursula runzelte die Stirn. „Medizin ist vielleicht ein bisschen sehr speziell. Schau dir doch einfach noch mehr von Terrestra an. Dann bekommst du vielleicht eine Idee. Morgen fliege ich zu einem Bauernhof, nicht weit von hier. Dort wohnt eine ganz fantastische Weberin. Ich will ihr einige der Stoffe abhandeln. Möchtest du mit?“
Mayra war für alles dankbar, was sie aus der Mission herausbrachte: „Gerne!“
Ursula lächelte. Sie fing an zusammenzupacken und meinte: „Komm, die Sonne ist untergegangen. Es wird kalt.“
Kapitel 25
Als sie am nächsten Morgen zum Bauernhof aufbrachen, hatte Ursula eine Plastiktasche dabei, die schwer aussah dafür, dass sie so klein war. „Handelsware!“, erklärte Ursula. „Nicht ganz legal. Kauf und Verkauf über den täglichen Bedarf hinaus ist zwischen Terrestra und der Union eigentlich verboten. Aber der Austausch von Stoff gegen Metallwerkzeuge, also ich denke nicht, dass das jemand weh tut.“ Damit stieg sie auf ihr Fluggerät.
Zunächst führte ihr Flug wieder Richtung Stadt. Dann bog Ursula ab. Sie verließen die Wiesen, die um die Stadt herum lagen, und kamen in ein Waldstück. Mayra fand, dass es ein sehr unordentlicher Wald war. Aus der Nutzholzgewinnung kannte sie es anders. Hier standen verschiedene Baumarten dicht neben- und durcheinander, mit teils ganz schmalen, teils breiten und fleischigen Blättern in
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