Mayra und der Prinz von Terrestra (German Edition)
sie verständnislos an, aber bevor Mayra etwas erklären konnte, spürte sie, wie jemand an ihrem Gürtel zerrte. Sie drehte sich um und sah einen vielleicht siebenjährigen Jungen davonlaufen – mit ihrem Gürtel in der Hand.
„He!“, rief Mayra und rannte hinterher. Der Junge war flink, aber Mayra war größer, und sie holte ihn ein paar Häuser weiter ein. Entschlossen stellte sie ihm ein Bein und beide kugelten auf den Boden. Mayra setzte dem Jungen ein Knie auf die Brust und brüllte ihn an. „Was sollte das denn?“ Dass er sie nicht verstand, war Mayra in dem Augenblick egal. Sie wollte ihren Gürtel wieder. Der war zwar völlig funktionslos, aber Fredi hatte ihn ihr geschenkt, und sie war nicht bereit, den aufzugeben. Wütend starrte sie den Terrestraner an. Doch ihr Ärger verflog auf einen Schlag, als sie die Angst in den weit aufgerissenen Augen des Jungen sah. Sie spürte, wie dünn er war, viel zu mager, bemerkte seine alte und zerrissene Kleidung. Mayra stand auf. Einen Augenblick blieb der Junge noch liegen wie ein verwundetes Tier, dann sprang er auf und rannte davon, seine Beute, Mayras Gürtel, in der Hand.
Mayra schaute ihm nach und beruhigte die Marktbesucher, die neugierig herangekommen waren. Es sei alles in Ordnung, signalisierte sie mit Gesten. Schnaufend und um Luft ringend, erreichte sie auch Ursula, die so schnell sie konnte hinter Mayra hergelaufen war. „Das ist doch unglaublich!“, empörte Ursula sich, als sie wieder Luft bekam. „Wir müssen sofort zur Polizei. Oder wer auch immer hier für Straftaten zuständig ist!“
„Ach, lass nur. Das ist doch nicht so wichtig. Nur ein Gürtel.“ Mayra schaute die Straße hinunter, wo der Junge nun nicht mehr zu sehen war. Ursula wollte, immer noch in Aufregung, etwas sagen. Aber Mayra kam ihr zuvor. „Er tut mir leid. Er hatte sicher Hunger.“
„Das ist kein Grund, etwas zu stehlen!“ Ursula war vor Ärger rot angelaufen.
„Nein, natürlich nicht. Aber bitte lass es uns einfach vergessen. Ich möchte nicht meine Zeit auf Terrestra mit einer Strafverfolgung beginnen. Wegen einem Gürtel, den ich nicht wirklich brauche!“ Mayras Ton war eindringlich. Sie wollte unbedingt verhindern, dass dem Jungen etwas passierte.
Widerstrebend gab Ursula ihrer Bitte nach. „Vielleicht hast du Recht. Man muss im Leben Prioritäten setzen. Ich will hier ein Handelsunternehmen hochziehen und nicht durch Beschuldigung von Terrestranern auffallen. Für eine Tat, die wir womöglich nicht beweisen können.“ Ursula schaute sich um. „Außerdem gibt es hier so viele schmutzige Jungen. Wir würden ihn eh nie wieder finden.“
„Schau mal dahinten. Da ist ein schöner Teppich!“ Erfolgreich lenkte Mayra ihre Großmutter ab und nach einigem Feilschen kauften sie einen sanft gemusterten Webteppich für Mayras Zimmer.
Kapitel 24
Von dem Ausflug war Mayra restlos erledigt, als sie wieder in der Mission ankamen. Trotzdem stellte sie eine Ganzkörperverbindung zu Fredi her. Der war wach, aber er schien sich für ihre Erlebnisse nicht sehr zu interessieren. Mayra merkte, dass sie auch schlecht davon erzählte. Es war einfach alles zu merkwürdig auf Terrestra. Außerdem wollte sie ihm von dem gestohlenen Gürtel nichts sagen. Sie sprachen ein bisschen von Fredis Gesundheit und davon, dass er sich langweilte und mit dem Versprechen sich am nächsten Tag wieder zu melden, beendeten sie ihre Unterhaltung.
Beim Abendessen waren Ursula und Mayra alleine. Ursula schlug vor, sich die erwärmten Gerichte, es gab wieder Hühnchen, mit vor die Schleuse zu nehmen. Mayra stimmte begeistert zu. Der fensterlose Essbereich bedrückte sie, und sie war nicht nach Terrestra gekommen, um Wände anzustarren und gefilterte Luft zu atmen. Ursula hatte mit Essen im Freien offensichtlich Erfahrung, denn sie hatte schon für beide silberne Decken unter dem Arm, die eigentlich zum Warmhalten von Verletzten gedacht waren. Die Kälte des Bodens würden die Decken auch für sie Unverletzte abhalten.
Vor der Schleuse, mit Blick auf die Stadt, machten die beiden es sich mit ihrer Mahlzeit gemütlich. „Ist Terrestra so, wie du es dir vorgestellt hast?“, wollte Ursula wissen, während sie sich mit den Händen ein Stück Hühnerbrust aus der Erwärmungsfolie fischte.
Mayra fiel sofort der magere Junge ein, der sie in der Stadt beklaut hatte. „Sollten Kinder nicht in der Schule sein?“, fragte sie, ohne nachzudenken.
„Du meinst unseren kleinen Dieb von heute?“ Ursula
Weitere Kostenlose Bücher