Mayra und der Prinz von Terrestra (German Edition)
die Stadt auf dem Hügel deutlich zu erkennen. Sie kam Mayra immer noch merkwürdig klein vor. Schließlich erschien Ursula, nun in lindgrüner Leinenhose und einem Oberteil aus demselben Material. Ihre grauen Haare hatte sie sich in einem strengen Knoten hochgesteckt. Mayra dachte auf einmal daran, dass sie sich am Morgen nicht gekämmt hatte und sicher sehr unordentlich aussah. Nun, das zu ändern, war es zu spät. Neben der Schleuse standen fünf Standgleiter. „Hier, such dir einen aus!“ Ursula nahm sich selbst einen der Gleiter. „Ich empfehle dir das Modell ganz rechts. Mit der anderen Marke bin ich neulich liegen geblieben. Das kann zwar an diesem instabilen Magnetfeld von Terrestra gelegen haben, aber jedenfalls hatte ich mit dem rechts noch keinen Ärger.“ Mayra nickte und nahm den empfohlenen Standgleiter. Ursula merkte, dass Mayra mit dem Gerät nicht sehr vertraut war. „Für Lichtbahnen gibt es hier zu wenig Bedarf. Aber du wirst dich schnell dran gewöhnen. Stell dich, wenn wir draußen sind, einfach auf die kleine Standfläche. Der Hebel rechts bestimmt sowohl Geschwindigkeit wie Richtung. Mit dem leichten Touch einer Frau kriegst du das schon hin!“ Mayra kicherte. So schwierig sah es tatsächlich nicht aus.
Es war auch nicht schwierig. Als sie durch die Schleuse waren, stellte sich Mayra auf die Plattform hinter der Leitsäule, probierte ein bisschen in alle Richtungen zu fliegen und nickte Ursula zu. Das Abenteuer konnte beginnen. Für Mayra war es jedenfalls ein Abenteuer. Auf einem ihr unbekannten Planeten ohne jeden Schutzanzug unterwegs zu sein, das hatte sie noch nie erlebt! In kaum mehr als doppelter Schrittgeschwindigkeit schwebten sie los. Tief sog Mayra die Luft ein. Es roch nach etwas und es roch nicht nach Schmieröl und Desinfektionsmittel, der leichte und doch vorherrschende Geruch in der diplomatischen Mission. Es roch, es roch … unbekannt. Mayra sah sich um und vermutete, dass es der Duft der Gräser war, über die sie gerade flogen.
Bald näherten sie sich einer Straße, die zur Stadt führte. Wobei „Straße“ kaum das richtige Wort war. Es war mehr eine Strecke von Erde, auf der kein Gras mehr wuchs. Neugierig beobachtete Mayra die Menschen. Es waren die ersten Terrestraner, die sie sah, Männer und Frauen. Fast alle hatten einfach geschnittene Hosen und Hemden oder Kleider an aus Materialien, die Mayra teils für grobe Wolle, teils für Leinen hielt. Viele gingen zu Fuß. Alle waren sie schwer bepackt. Einige hatten Lastesel neben sich. Andere fuhren auf zweirädrigen, von Ochsen gezogenen Karren. „Die meisten Leute hier wollen zum Markt in der Stadt“, erklärte Ursula. „Der ist an jedem fünften Tag. Die Bauern aus der Umgebung bringen Lebensmittel für die Stadtbewohner und kaufen dort, was sie nicht selbst herstellen können.“
„Sie sehen ein bisschen trist aus, ich meine, ihre Kleidung, fast nur beige und braun“, wunderte Mayra sich.
„Farben sind teuer!“, kam es prompt von Ursula. „Für ihre Arbeitskleidung können sich die Bauern nur Naturtöne leisten. Ich persönlich mag das. Aber, ja, auf die Dauer wohl etwas eintönig.“
Sie waren nun an die Straße herangekommen und flogen parallel zu dieser in Richtung Stadt. Die meisten Menschen kümmerten sich nicht sehr um sie, schauten kurz zu ihnen hin, nahmen dann ihre Gespräche wieder auf oder gingen schweigend weiter. Nur ein Kind fing an zu weinen, zeigte auf die Gleiter und versteckte sich im Rock der Mutter, die es beruhigte. Der Strom der Menschen an diesem Morgen zog eindeutig zur Stadt. Nur ein Reiter kam ihnen entgegen, und Mayra staunte nicht schlecht. Abgesehen davon, dass der Mann bunt gekleidet war, mit blauer, rot bestickter Jacke über der schwarzen Lederhose, ritt er ein Pferd, dessen Fellfarbe blau war. Sonst sah das Tier genau so aus, wie Mayra es von anderen Pferden kannte. Aber statt braun oder schwarz oder weiß war es eben blau, mittelblau, mit einer weißen Blesse auf der Stirn.
Leise fragte Mayra ihre Großmutter, wie das komme. „Oh, das ist eine der Mutationen auf Terrestra. Einige der Pferde haben eine Substanz unter der Haut, die dem pflanzlichen Chlorophyll sehr ähnlich ist. Sie können Licht in Lebensenergie umwandeln. So sind sie zwar von Futter nicht völlig unabhängig, aber sie sind belastbarer. Sie sind sehr teuer. Nur der Adel kann sie sich leisten.“
„Sieht irgendwie seltsam aus“, meinte Mayra mehr zu sich.
„Ach, man gewöhnt sich dran“, kam es
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