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McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
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erfundenen Sagen und Theaterstücke aufgeben zu wollen (um wieviel schöner wäre es nur, bekäme man eine kleine Kostprobe von einem dieser Werke), doch hat es möglicherweise das Kind seiner schriftstellerischen Fertigkeiten mit dem Märchenwasser ausgeschüttet. Denn trotz aller schönen Rhythmen und ansprechenden Beobachtungen geschieht nicht viel nach diesem vielverheißenden Anfang. Ein junger Mann und eine junge Frau, die offenkundig allerhand unausgesprochene Gefühle teilen, raufen sich an einem Brunnen um eine Ming-Vase, die daraufhin zerbricht. (Mehr als einer von uns hier im Haus hat sich gefragt, ob eine Ming-Vase nicht zu kostbar ist, um sie mit nach draußen zu nehmen. Würde für Ihre Zwecke nicht eine Sèvres- oder Nymphenburger-Vase genügen?) Die Frau steigt angezogen in den Brunnen, um die Bruchstücke herauszufischen. Könnte es übrigens nicht von Vorteil sein, wenn das beobachtende Mädchen gar nicht begriffe, daß die Vase zerbrochen ist? Dann wäre es für dieses Kind noch unverständlicher, wieso die Frau untertaucht. So vieles jedenfalls könnte sich aus dem ergeben, was Sie beschrieben haben – doch Sie widmen Dutzende von Seiten der exakten Beschaffenheit von Licht und Schatten sowie zufälligen Impressionen. Dann wird uns dasselbe Geschehen aus dem Blickwinkel des Mannes und daraufhin aus dem der Frau erzählt, doch erfahren wir eigentlich nichts Neues. Es folgen nur weitere Beschreibungen von Äußerlichkeiten und Empfindungen sowie einige unbedeutende Erinnerungen. Der Mann und die Frau trennen sich, es bleibt einfeuchter Fleck auf dem Boden, der rasch verdunstet - und wir sind am Ende. Dieser statische Charakter wird Ihrem offensichtlichen Talent schlichtweg nicht gerecht. Wenn dieses Mädchen den seltsamen kleinen Vorfall, der sich vor den eigenen Augen abgespielt hat, so gründlich mißverstand oder ihn so überaus verwirrend fand, wie hat dies dann das Leben der beiden Erwachsenen beeinflußt? Ist das Kind auf verheerende Weise zwischen die beiden getreten? Oder hat es sie durch Zufall oder Absicht einander nähergebracht? Hat es sie etwa unabsichtlich bloßgestellt, gar gegenüber den Eltern der jungen Frau? Sie hätten doch gewiß keine Liaison zwischen ihrer ältesten Tochter und dem Sohn ihrer Putzfrau gebilligt. Hat das junge Paar das Kind vielleicht als Boten eingesetzt?
Mit anderen ‘Worten: Statt sich gar so lange über die Wahrnehmungen jeder der drei Charaktere auszulassen, wäre es da nicht möglich, sie uns etwas bündiger darzubieten und dabei dennoch manche dieser lebhaften Beschreibungen von Licht, Stein und Wasser beizubehalten, die Sie so gut beherrschen – um sich dann daran zu wagen, ein wenig Spannung aufzubauen, etwas Licht und Schatten innerhalb der Erzählung selbst zu erzeugen? Die Gebildetsten unter Ihren Lesern mögen durchaus mit Bergsons neuesten Bewußtseinstheorien vertraut sein, doch bin ich mir sicher, daß auch sie sich das kindliche Vergnügen an einer Geschichte bewahrt haben, daran, in Spannung versetzt zu werden und wissen zu wollen, was als nächstes geschieht. Der Bernini, auf den Sie sich in Ihrer Beschreibung beziehen, steht übrigens auf der Piazza Barberini, nicht auf der Piazza Navona. Kurz gesagt, Sie brauchen das Rückgrat einer Geschichte. Es mag Sie interessieren, zu erfahren, daß eine Ihrer eifrigsten Leserinnen Mrs. Elizabeth Bowen war. In einem müßigen Augenblick griff sie, als sie auf dem Weg zum Mittagessen durch dieses Büro kam, nach dem Bündel Papiere, fragte, ob sie es mit nach Hause nehmen dürfe, und las es noch am selben Nachmittag. Anfänglich fand sie den Stil »zu voll, zu überladen«, sah sich aber durch einen »Hauch von Dunkle Antwort« von Rosamond Lehmann versöhnt (worauf ich selbst nie gekommen wäre). Dann war sie eine Weile »wie gebannt« und gab uns schließlich einige Hinweise, die in unsere obigen Anmerkungen eingeflossen sind. Mag sein, daß Sie mit Ihrem Text in seiner jetzigen Fassung vollauf zufrieden sind, daß Sie unsere Vorbehalte ärgerlich abtun oder nun derart verzweifelt sind, daß Sie nie wieder einen Blick darauf werfen wollen. Wir hoffen ernstlich, daß dies nicht der Fall ist. Vielmehr wünschen wir uns, daß Sie unseren Kommentar – der mit aufrichtiger Sympathie verfaßt wurde – als Grundlage für eine Überarbeitung ansehen. Ihr Begleitbrief war bewundernswert zurückhaltend, doch deuteten Sie an, daß Sie gegenwärtig kaum Zeit haben. Sollte sich dies ändern und Ihr Weg Sie in

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