Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
Vom Netzwerk:
bleiben, ohne daß auch nur ein unfreundliches Wort gefallen war.
»Ist nicht weiter schlimm«, erwiderte sie.
»Die Verlautbarung zur Verteidigungspolitik mußte überarbeitet werden. Man will wohl eine zweite Auflage drucken. Und dann noch dieses und jenes.«
»Die Aufrüstung«, sagte sie begütigend.
»Ja, leider.«
»Du weißt doch, daß alle dagegen sind.«
Er gluckste. »Nicht hier im Büro.«
»Aber ich bin es.«
»Nun ja, meine Liebe. Eines Tages werde ich dich hoffentlich zu meinem Standpunkt bekehren.«
»Oder ich dich zu meinem.«
Ein Hauch von Zuneigung prägte diesen Schlagabtausch, und seine altvertraute Geläufigkeit war ihnen ein Trost. Wie gewöhnlich fragte er nach dem Tagesgeschehen. Sie erzählte ihm von der großen Hitze, davon, daß die Aufführung von Brionys Stück geplatzt und daß Leon mit einem Freund eingetroffen war, zu dem sie anmerkte: »Er steht auf deiner Seite, will aber noch mehr Soldaten, damit er der Regierung seine Schokoriegel verkaufen kann.«
»Aha, ich verstehe. Pflugscharen zu Stanniolpapier.« Sie beschrieb das Abendessen und Robbies wilden Blick. »Müssen wir ihn denn wirklich auch noch Medizin studieren lassen?« »Das müssen wir. Ein kühner Schachzug von ihm. Typisch Robbie. Wird bestimmt eine gute Figur machen.«
Dann berichtete sie, wie der Brief der Zwillinge dem Essen ein Ende gesetzt hatte und die Suchtrupps aufgebrochen waren, um den Park zu durchkämmen.
»Diese kleinen Racker. Und? Wo haben sie sich rumgetrieben?«
»Ich weiß nicht. Ich warte noch.«
Schweigen herrschte am anderen Ende, unterbrochen nur von einem fernen, mechanischen Klicken. Als der hohe Beamte sich schließlich wieder zu Wort meldete, hatte er seine Entscheidungen bereits getroffen. Daß er sie beim Vornamen nannte, was er nur selten tat, zeigte ihr, wie ernst es ihm war. »Ich lege jetzt den Hörer auf, Emily, weil ich gleich danach die Polizei anrufen werde.«
»Ist das denn wirklich nötig? Bis die hier ist…« »Solltest du etwas Neues hören, gib sofort Bescheid.«
»Warte…«
Ein Geräusch hatte sie veranlaßt, sich umzudrehen. Leon öffnete die Haustür. Dicht hinter ihm sah sie Cecilia mit einer Miene, die sprachlose Bestürzung verriet. Dann kam Briony, die einen Arm um die Schultern ihrer Kusine gelegt hatte. Lolas Gesicht war weiß und starr wie eine Totenmaske, so daß Emily, auch wenn sie ihr keinerlei Regung ansehen konnte, sofort das Schlimmste befürchtete. Wo waren die Zwillinge?
Leon kam durch die Halle auf sie zu und streckte die Hand nach dem Telefon aus. Ein Schmutzstreifen zog sich von seinem Hosenaufschlag bis zum Knie. Schlamm. Bei diesem trokkenen Wetter. Er atmete schwer, und eine Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht, während er den Hörer an sich riß und ihr den Rükken zuwandte.
»Bist du das, Daddy? -Ja. Hör mal, ich glaube, es ist besser, wenn du herkommst. – Nein, noch nicht, aber das ist nicht alles. – Nein, nein, kann ich dir jetzt nicht sagen. -Möglichst noch heute. – Die müssen wir sowieso anrufen. Mach es am besten gleich.«
Sie griff sich ans Herz und ging einige Schritte auf Cecilia und die Mädchen zu. Mit gesenkter Stimme murmelte Leon rasch etwas hinter vorgehaltener Hand in die Sprechmuschel. Emily konnte kein Wort verstehen, wollte es auch gar nicht. Am liebsten hätte sie sich sofort auf ihr Zimmer zurückgezogen, doch da warf Leon krachend den Hörer auf die Gabel und drehte sich zu ihr um. Aus schmalen Schlitzen schaute er sie entschlossen an, und sie fragte sich, ob es Wut war, die aus seinem Blick sprach. Er zwang sich, ruhiger zu atmen. In einer seltsamen Grimasse zog er die Lippen über die Zähne und sagte: »Gehen wir in den Salon und setzen uns hin.«
Sie verstand genau, was er damit meinte. Er wollte es ihr jetzt nicht sagen, wollte nicht, daß sie auf den Fliesen zusammenbrach und dabei mit dem Kopf aufschlug. Sie starrte ihn an, rührte sich aber nicht vom Fleck.
»Komm schon, Emily«, sagte er.
Heiß und schwer lag die Hand des Sohnes auf ihrer Schulter, und selbst durch die Seide hindurch konnte sie fühlen, wie verschwitzt sie war. Widerstandslos ließ sich Emily zum Salon führen, und all ihre Angst konzentrierte sich auf die simple Tatsache, daß sie sich hinsetzen sollte, ehe er ihr sagte, was passiert war.
Dreizehn
    I n einer halben Stunde würde Briony ihre Schandtat begangen haben. Da sie wußte, daß sie die weiten Gefilde der Nacht mit einem Psychopathen teilte, hielt sie sich anfangs im Schatten der Mauern, lief

Weitere Kostenlose Bücher