McJesus
fragte sich, womit er Ruths Tabletten bezahlen sollte, wenn das Care Center schloss und seine kurze Karriere als Priester zu Ende sein würde. Was würde aus Alissa und Ruben und Captain Boone, aus Mrs. Gerbracht und Mr. Saltzman und all den anderen werden? Was würde aus Peg werden? Da sie keine echte Nonne war, würde sich kein Orden um sie kümmern. Vielleicht würde sie in einen Orden eintreten. Das wäre jedenfalls besser, als zu ihrem früheren Gewerbe zurückzukehren. Aber wenn sie ins Kloster ginge, was wäre dann mit Dan? Verliebt in eine echte Nonne. Na, großartig.
Vielleicht sollte er Peg die Wahrheit sagen. Vielleicht, wenn sie wüsste, dass er kein echter Priester war … Ja, was wäre dann? Sie wären eine Laiennonne und ein Laienpriester, die auf der Straße hausen. Toll. Dan stieß sich vom Tisch ab und blickte auf die zum Teil gepackten Kartons. Wohin sollten sie das ganze Zeug bringen? Wie zum Teufel sollten sie es transportieren? »Mom, ich frage dich«, sagte Dan. »Wir haben praktisch nichts und brauchen trotzdem einen Laster, um das ganze Zeug wegzuschaffen? Wie ist das möglich? Keiner hier besitzt mehr, als in einen Koffer passt.« Dan schüttelte den Kopf. »Es ist unglaublich.«
Ruth legte Nadel und Faden beiseite. »Junge, was würdest du sagen, wenn ich in den vergangenen zwanzig Jahren ein bisschen Geld angelegt hätte?«
Dan erstarrte. War das möglich? Hatte seine Mutter zufällig in der besten Zeit in der Geschichte der Wall Street investiert? Vielleicht von dem Geld, das er ihr als Taschengeld gegeben hatte? Möglich wäre es. Er erinnerte sich an eine Geschichte von einer armen schwarzen Frau in Mississippi, die sich von ihrem Hausmädchengehalt etwas gespart hatte. Dann hatte sie auf dem Aktienmarkt investiert und eines Tages, aus heiterem Himmel, spendete sie einer staatlichen Universität mehrere Millionen Dollar. Dan drehte sich zu seiner Mutter um. »Du besitzt Aktien?«
»Investmentfonds«, sagte sie. »Ungefähr eine Million Dollar.«
Dan kippte beinahe um. »Eine Million Dollar?« Er stand da und brachte den Mund nicht mehr zu. Es schien so unmöglich, und doch hätte er es so gerne geglaubt.
Ruth fing an zu lachen. »Dan, ich mach doch nur Spaß. Glaubst du, ich würde so leben, wenn ich eine Million Dollar hätte? Es war ein Scherz.«
Dan machte den Mund zu und biss die Zähne zusammen. Sein Sinn für Humor war ihm heute abhanden gekommen. Er ging zu seiner Mutter und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Mom, lass das«, sagte er. »Das ist nicht komisch.«
»Nur nicht den Kopf hängen lassen«, sagte sie. »Du wirst dir etwas einfallen lassen. Das weiß ich genau.«
Kein Tag verging, an dem Scott bei seiner Arbeit nicht in einen Trancezustand geriet. Von der Wand mit den Fernsehern stürzte eine Bilderflut auf ihn nieder, und die vierzig Lautsprecher-Sets wirkten wie ein elektronischer Hypnotiseur. Sobald die Bilder der großen Öde Scotts Augen gefangen hielten, konnten seine Gedanken auf Wanderschaft gehen. Aber sehr weit schweiften sie nie.
Wenn er so in Gedanken verloren dastand, wog er das Für und Wider seines Vorhabens ab. Er kam schließlich zu der unerfreulichen Erkenntnis, dass er, egal, wofür er sich entschied, nicht gewinnen konnte. Wenn er Dan nicht fand, war er verloren. Wenn er Dan tötete und nicht erwischt wurde, würde nie jemand erfahren, dass Scott das eigentliche Genie hinter der More is more -Kampagne war. Wenn er Dan tötete und gefasst wurde, drohte ihm eine schwere Strafe, aber dann wäre er quitt mit ihm und könnte wenigstens vor Gericht der Öffentlichkeit erklären, dass die More is more -Kampagne seine Idee war. Im Gefängnishof würde ihm das wenig nützen, aber wenigstens wüsste sein Vater, dass sein Sohn etwas geleistet hat. Und das wäre einiges wert.
Ruben sah sich die Stellenanzeigen an. Es gab einige Angebote für Anfänger als Trickfilmzeichner und Grafiker, aber er war sich nicht sicher, ob er dafür qualifiziert war. Er wusste nicht einmal genau, was ein graphic artist ist, aber da es der einzige Job war, in dem das Wort art vorkam, war ein graphic artist auch der einzige Job, auf den das, was Ruben für sein marktfähiges Können hielt, zu passen schien. Voraussetzung für alle Jobs waren mehrjährige Berufserfahrung und der gekonnte Umgang mit verschiedenen Computerprogrammen, von denen Ruben noch nie etwas gehört hatte. Trotzdem könne sich jeder bewerben, hieß es in der Anzeige. Man brauche nur eine
Weitere Kostenlose Bücher