McJesus
Hoffnung.
»Nein. Vermutlich hat er etwas im Auftrag von Monsignore Matthews zu erledigen.« Schwester Peg hatte keine Ahnung, wo sich Pater Michael befand, aber sie wollte Ruth nicht beunruhigen. »Ich erwarte ihn bald zurück.«
Ruth nickte, aber sie war nicht optimistisch. Aus irgendeinem Grund wurde sie von Männern immer im Stich gelassen. Aber Ruth wollte nicht bei diesen Gedanken verweilen. Sie plauderte lieber ein bisschen. Sie fragte Schwester Peg, wo sie herkam.
Peg erzählte, dass sie in San Bernardino aufgewachsen war. Ihr Vater war an Krebs gestorben. »Danach ging es meiner Mom ziemlich schlecht, seelisch und finanziell. Ich glaube, dass sie deshalb so bald wieder geheiratet hat.« Schwester Peg zuckte die Achseln. »Leider konnte ich meinen Stiefvater nicht leiden. Wir vertrugen uns einfach nicht.« So drückte sie es immer aus.
»Deshalb bin ich nach Hollywood gegangen, zu einer Freundin.« Sie schüttelte den Kopf, als sie sich an diese Zeit erinnerte. »Wir waren jung und verrückt, und es war richtig lustig. Wir hatten eine große Wohnung in den Hügeln, gingen in die Nachtklubs, aber das alles kostete mehr, als ich als Kellnerin verdiente. Nach einer Weile hatte ich diese Hetzerei nach Geld satt. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch etwas anderes bräuchte – ein anderes Ziel.« Sie deutete auf ihre Tracht, als hätte sie nie erwartet, Nonne zu werden. »Und schließlich habe ich es gefunden.«
Ruth beugte sich vor und tätschelte Schwester Pegs Hand. »Danken Sie Gott dafür.« Ruth hatte das Gefühl, dass Peg ein paar Einzelheiten ihrer Lebensgeschichte nicht erzählt hatte, aber sie fand, dass sie das schließlich nichts anging. »Ich glaube, genau das muss Gott für Sie vorgesehen haben.«
»Das glaube ich auch.« Schwester Peg log nicht gern wegen ihrer Vergangenheit, aber sie sah auch keinen Sinn darin, die unschönen Details breitzutreten. Die Wahrheit war, dass ihr Stiefvater schon einen Monat, nachdem er eingezogen war, nachts, wenn ihre Mutter schlief, in Pegs Zimmer kam. Pegs Noten wurden schlechter, und sie fühlte sich zunehmend schuldig und deprimiert. Sie wurde fast ein Jahr lang missbraucht, bis sie es endlich ihrer Mutter sagte. Die Mutter nannte sie eine Lügnerin. Sie schrie und ohrfeigte Peg und warf ihr vor, absichtlich die Familie zu zerstören. Peg ging nach Hollywood und hatte mehrere schlecht bezahlte Jobs. Als ihre finanzielle Lage kritisch wurde und sie aus der Wohnung geworfen werden sollten, sagte Pegs Freundin, sie habe einen Weg gefunden, auf einfache Weise Geld zu verdienen. Und eine Weile machte Peg dabei mit.
»Wissen Sie, es ist komisch«, sagte Ruth. »Bei Michael geht es mir anders, weil ich ihn heranwachsen sah und erlebt habe, wie er Priester wurde. Aber bei Ihnen kann ich mir kaum vorstellen, dass Sie jemals etwas anderes waren als eine Nonne. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ja.« Schwester Peg lächelte. »Mir fällt diese Vorstellung auch schwer.«
Dan war sehr froh, dass er noch lebte, gemütlich in seiner Wohnung in Sylmar saß, in einem neuen, vibrierenden und verstellbaren Ledersessel und umgeben von Fernseher, Videorecorder und Stereoanlage im Wert von Tausenden von Dollar. In der Küche stapelten sich teure Lebensmittel und guter Wein, und sein Kleiderschrank war gefüllt mit etlichen guten Stücken aus reiner Schurwolle. Doch richtig glücklich fühlte er sich trotzdem nicht. Es ging ihm wie vielen Amerikanern in letzter Zeit, nachdem sie entdeckt hatten, dass Kaufen allein nicht glücklich macht. Seltsamerweise hatte seine Unzufriedenheit nichts mit einem Wunsch nach einem größeren Fernseher zu tun. Während sich Dan durch die zweihundert per Satellit übertragenen Kanäle zappte, wurde ihm klar, dass er sich nur zwei Dinge wirklich wünschte. Er hätte es gern mit seinem eigenen Leben noch einmal versucht, und er wünschte sich seinen Bruder zurück.
Unglücklicherweise waren es Dinge, über die Dan keine Macht hatte. Und als der Wecker seiner teuren neuen Armbanduhr fiepte, fiel ihm ein, dass er auch nicht die Zeit hatte, um sich deswegen zu grämen. Dan stellte das Piepen ab und stand von seinem Sessel auf. Er musste sich auf die Socken machen, wollte er nicht zu spät zu seiner Beerdigung kommen.
Angesichts seiner verschwenderischen Einkäufe befiel Dan ein schlechtes Gewissen wegen der Weniger-ist-mehr-Bestattung, die er Michael zuteil werden ließ – eine Art umgekehrtes Käuferreue-Phänomen. Aber die Kreditkarten waren
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