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McJesus

McJesus

Titel: McJesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Fitzhugh
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Ansicht in die Höhe hält. (Ich denke, sie haben den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen.)
    Im Hintergrund steht der Lahme auf und tanzt fröhlich umher, während Jesus das Bild verlässt. Schnitt auf eine Szene an einem See. Jesus schreitet durch eine bäuerliche Menschenmenge und nimmt aus einem nicht endenden Vorrat unter seinem Gewand Brote und Fische, die er ans Volk verteilt. Ein kleiner Junge zupft ihn am Rock, und Jesus klatscht ihm eine große zappelnde Makrele in die bittend erhobenen Arme. Das Kind lächelt überglücklich. Es ist ein etwas komisches Bild«, räumte Dan ein, als er den zweifelnden Blick des Bischofs bemerkte, »aber auch sehr anrührend.«
    Dan hatte nicht vor, den Bischof zu Wort kommen zu lassen. »Also«, fuhr er fort, »Christus spricht wieder in die Kamera, während er sich dem großen See nähert. ›Die Zeiten ändern sich, nicht wahr? Glauben Sie mir, ich weiß das. Deshalb haben wir McJesus herausgebracht.‹«
    Dan hielt inne und sah den Bischof an. »Christus erreicht die gegenüberliegende Seite des Sees, und während er ans feste Ufer steigt, spricht er weiter: ›Wir sind immer noch besser als alle anderen großen Religionen. Und was wirklich zählt … Wir erlösen.‹ Christus geht an vier nebeneinander aufgereihten Hindus vorüber. Er bleibt stehen und blickt in die Kamera. ›So viele Religionen dienen bestimmten Zwecken. Oder sie sind, was noch schlimmer ist, nur ein Kult. Wir bieten Ihnen jedoch am Ende Ihrer Tage etwas, das Sie woanders nicht bekommen. Bei uns erwartet Sie die ewige Glückseligkeit … und nicht nur permanentes Recycling.‹
    Christus betrachtet die vier Hindus. Der erste verwandelt sich in eine Katze, der zweite in ein Warzenschwein; der dritte wird ein Äffchen und der vierte der republikanische Führer des Repräsentantenhauses. Christus wendet sich mit einem amüsierten Lächeln wieder der Kamera zu. ›Muss ich noch mehr sagen?‹
    Schnitt. Christus erscheint zum letzten Abendmahl. Wie ein guter Kumpel klatscht er einige seiner Apostel ab, bevor er seinen Platz an der Mitte des Tisches einnimmt. › McJesus. Probieren Sie es damit.‹ Christus schenkt dem Zuschauer ein breites Lächeln. ›Sie werden es nicht bereuen.‹«
    Dan stand langsam auf und hob die Hände zur Decke. »Christus schwebt aus dem Bild, wobei er das O.K.-Zeichen macht und die Apostel ehrfurchtsvoll zu ihm aufblicken. Dann blenden wir aus und bringen ein stilisiertes Logo für den neuen Markenartikel. Wir hören die Stimme von Christus mit einem leichten Echoeffekt. › McJesus, weniger Schuld, mehr Vergebung.‹«
    Der Ober servierte zwei gefrorene Grand-Marnier-Soufflés, als Dan darauf wartete, dass der letzte Satz beim Bischof ankam. Das schien ziemlich schnell zu geschehen, denn der Bischof erhob sich, zog ein ziemlich massives Kruzifix aus seiner Robe und schlug es Dan auf den Kopf, so dass er aus seinem Traum erwachte und aus dem Sessel auf den Boden seines asketischen Apartments plumpste. Dort blieb er einen Moment liegen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er hasste es, eine gute Idee nicht zu nutzen, aber gleichzeitig hätte er nicht derjenige sein wollen, der versuchte, diese hier dem Vatikan schmackhaft zu machen.
     
    Ruth streckte die Hand nach der Schublade aus. Sie stellte sich vor, wie erleichtert sie sich fühlen würde, sobald ihre spröde Haut unter der rostigen Rasierklinge nachgab. Es tat ihr Leid, dass sie Probleme schaffen würde, jemand würde das Blut aufwischen müssen. Sie hoffte, dass es nicht Dan sein würde. Das hätte er nicht verdient. Aber wer verdiente schon was? Sie hatte auch kein Leben wie das ihre verdient. Logisch war das alles sowieso nicht. Ihr Leben war sinnlos, eine Abfolge willkürlicher Ereignisse. Sie war nur eine Belastung eines Systems, das sie nicht verstand. Sie war nur Platzverschwendung. Ruths Hand schob sich immer weiter über den Nachttisch.
    Sie begann zu weinen, als ein Teil von ihr um Hilfe betete, um einen Grund, es nicht zu tun. Aber ihr fiel nichts ein, und einen Augenblick später öffnete sie die Schublade und berührte die Klinge. Eine schreckliche Kälte umfing ihr Herz, und dann hörte sie eine kräftige innere Stimme sagen: Wir sollten zu den Engeln beten, die uns als Schutzengel gegeben wurden.
    Das Entsetzen, das die lebensmüde Ruth bei ihrem Kampf, sich das Leben zu nehmen, begleitete, war nichts im Vergleich zu dem, als sie die Stimme hörte. Es war die Stimme eines Fremden, doch sie war

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