McJesus
Punkte dieser Arbeit. »Postman behauptete, ein wirksamer Fernsehspot spreche vier Kernpunkte an. Erstens: Ein Produkt, zum Beispiel Schuppenshampoo, nicht zu kennen, ist die Ursache für Missstände im Leben. Mit anderen Worten – die technologische Unwissenheit, wie er es nennt, ist in diesen Spots die Sünde. Aus dieser Sünde ergibt sich die Schande und das Stigma, Schuppen zu haben, was wiederum dazu führt, dass einen die Kollegen meiden oder dass einem ein Geschäft durch die Lappen geht. Irgendwas in der Art, klar? Zweitens: Der Weg zum Heil besteht darin, das Produkt kennen zu lernen und zu benutzen. Punkt drei ist, dass die Anwendung des Produkts in eine Art Himmel führt, zum Beispiel zu Flitterwochen an einem herrlichen Ort oder zu Reichtum nach einem erfolgreich abgeschlossenen Geschäft. Der vierte Punkt ist die Verpflichtung der Rechtgläubigen, die Frohe Botschaft des Produkts zu verbreiten. Ich habe eine A-Note für die Arbeit bekommen, aber im weiteren Verlauf wurde mir klar, dass ich mehr Gutes tun könnte, wenn ich das wahre Evangelium verkünden würde an Stelle der Madison-Avenue-Version.« Dan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Und wie war es bei Ihnen? Wollten Sie schon immer Nonne werden? Oder sind Sie eines Tages aufgewacht und haben beschlossen, es einfach mal zu versuchen?«
Schwester Peg hatte nicht daran gedacht, dass dies die unvermeidliche Kehrseite der Frage war, die sie Dan gestellt hatte. Sie wollte nicht lügen, aber die Wahrheit zu sagen erschien ihr auch nicht ratsam. Deshalb stand sie auf, hob die Arme und streckte sich. »Sagen wir einfach, ich habe einen ziemlichen Umweg gemacht, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin.« Sie ging zum Spülbecken und wusch ihre Tasse ab. »Tut mir Leid, Pater, ich bin nur so hundemüde«, sagte sie, während sie ein Gähnen vortäuschte. »Ich mache Schluss für heute. Bis morgen dann. Gute Nacht.« Sie ging rasch zur Tür und verschwand.
»Gute Nacht«, sagte Dan. Er blieb noch eine Minute sitzen und fragte sich, welche Stationen auf Schwester Pegs Umweg zum Nonnendasein lagen. Eine Nonne wie sie war Dan noch nie über den Weg gelaufen. Andererseits glich er wahrscheinlich auch keinem Priester, den sie je gekannt hatte. Er kippte seinen Rest Bourbon und machte sich auf den Heimweg.
11
Der Bourbon machte Dan nachdenklich wie seit langem nicht mehr. Als er zu Hause über seine finanzielle Situation nachdachte, stellte er fest, dass sie ihn amüsierte. Am komischsten fand er, dass er nicht sagen konnte, welcher Teil seiner Armut ihn am meisten freute. Seit er in die Rolle von Pater Michael geschlüpft war, hatte er etliche Kilo abgenommen, er sah vieles in einem neuen Licht und hatte etwas gefunden, von dem er annahm, dass es innerer Friede war. Er musste lachen. Er saß in einem winzigen Apartment in einem Fünf-Dollar-Sessel vom Flohmarkt, der ihm wie das beste Möbelstück vorkam, das er je besessen hatte. Nach einem zweiten Achtzehnstundentag im Care Center fühlte er sich zufriedener als nach der Inszenierung einer Zwanzig-Millionen-Dollar-Werbekampagne. Dan musste lachen, weil dies hier noch vor einem halben Jahr seine Definition von Hölle gewesen wäre.
Früher, wenn Dan nach einem Tag in der Prescott Agency nach Hause kam, schaltete er automatisch den Fernseher oder die Stereoanlage ein oder meistens beides. Hauptsache war, dass sie Geräusche machten, Geräusche, die zur Unterhaltung dienten, Geräusche, die Nachrichten lieferten, Geräusche, die versuchten, etwas zu verkaufen. Geräusch war Ablenkung, forderte Aufmerksamkeit, hielt den Verstand von allem Wirklichen fern. Dan stellte sich einen Bier anpreisenden Sokrates vor: Das nicht verstandesgemäß nachgeprüfte Leben ist lebenswert, aber nur, wenn ihr genug Budweiser trinkt …
Aber jetzt war Dan von alldem befreit. Er musste sich nicht mehr das ständige Geplapper der Werbesendungen anhören, und, was noch besser war, er musste sein Leben nicht mehr damit verbringen, das verdammte Zeug zu erfinden. Es war eine ungeahnte Erleichterung. Nun kehrte er am Ende seines langen Arbeitstags in seine kleine Wohnung heim und schwelgte im einfachen Leben. Er hatte erkannt, wie angenehm Ruhe war. Er genoss den Frieden, der sich allein daraus ergab, dass er kein abendliches Fernsehprogramm planen musste. Er musste nicht mehr das eine sehen, während er etwas anderes auf Video aufnahm. Er musste nicht mehr auf siebzig Kanälen surfen auf der Suche nach den fesselndsten,
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