McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
sich auf die Straße zurück.
Der Spuk war vorbei. Mit fahriger Geste strich sich der Kopfgeldjäger über die Augen. Es war die Minute, in der sich der Rand der Sonne über den bergigen Horizont schob und das Gestirn seine ersten, heißen Strahlen ins Land schickte.
McQuade ging zu Sheriff Jesse Ballard, der reglos im Straßenstaub lag. Der Gesetzeshüter war tot. Seine gebrochenen Augen muteten an wie Glasstücke. McQuade verspürte einen bitteren Geschmack in der Mundhöhle.
Plötzlich strömten die Menschen aus ihren Häusern. McQuade sah bleiche Gesichter voller Rastlosigkeit, er erkannte das Entsetzen in den Augen der Stadtbewohner und die Fassungslosigkeit. Ein verworrenes Stimmendurcheinander erhob sich.
Er ging zu der Stelle, an der er Chuck Henders niedergeschossen hatte. Die absolute Leere des Todes prägte das hagere Gesicht des Revolverschwingers.
Irgendwo schrie ein Mann: »Der da lebt noch. Die Kugel hat ihm lediglich einen blutigen Scheitel gezogen.«
Es war der Bursche, der hinter dem Wasserfass gelauert hatte und der McQuade den Fangschuss verpassen wollte, als der Kopfgeldjäger auf dem Weg zum Hotel war, um sich Shannon vorzuknöpfen.
Einige Bürger umringten den Verwundeten. McQuade schob sich zwischen zwei Männern hindurch und ging bei dem stöhnenden Burschen auf das linke Knie nieder. Die Lider des Mannes zuckten. McQuade rüttelte ihn an der Schulter. Der Bursche öffnete die Augen, mit getrübtem Blick schaute er den Kopfgeldjäger geradezu verständnislos an.
»Wie ist dein Name?«, fragte McQuade.
»Orrel«, murmelte der Mann nach geraumer Zeit, in der er die Frage verarbeitete, mit schwacher Stimme. »Ned Orrel.«
»Wo seid ihr hergekommen, Orrel?«, fragte McQuade. »Es war doch kein Zufall, dass ihr am frühen Morgen in Indian Wells aufgetaucht seid.«
Der Blick Orrels klärte sich. Er hob die Hand und betastete die Streifschusswunde an seinem Kopf. Ein Stöhnen kämpfte sich in seiner Brust hoch und quoll aus seinem Mund. Sein Gesicht verzerrte sich. »Ich – ich halte das nicht aus«, keuchte er. »Der Schmerz bringt mich um.«
»Wo seid ihr hergekommen?«, wiederholte McQuade seine Frage. Mitleid konnte er nicht empfinden. Orrel hatte es herausgefordert, verwundet oder vielleicht sogar getötet zu werden. Er hätte nicht gezögert, ihn, McQuade, mit Blei vollzupumpen.
»Wir – waren auf der Bar-S-Weide. Haben – eine Herde in Stampede versetzt. Mit – mit Terror wollte Shannon die Lady soweit bringen, dass – dass sie aufgibt. Als Seymour es ablehnte, uns über sein Land ziehen zu lassen, zog er sich Shannons Hass zu.«
»Und in seinem Hass schreckte er selbst vor Mord nicht zurück«, knurrte McQuade und richtete sich auf.
Ein Mann stieß hervor: »Du lieber Himmel, in dieser Nacht sind drei Männer gestorben und der hier wurde übel angeschossen. Sie haben für Furore gesorgt, Mister. Die Nacht wird als die Blutnacht von Indian Wells in die Annalen der Stadt eingehen. Es ist ein Jammer, dass es auch Jesse Ballard erwischt hat. Er war ein guter Mann, und er war ein guter Sheriff.«
»Der Tod fragt nicht, ob ein Mann gut oder schlecht ist«, knurrte McQuade. »Er nimmt, was er kriegen kann. – Noch eine Frage, Orrel: Gab es zwischen dir und deinem Gefährten und den Bar-S-Leuten, die die Herde bewachten, Kampf?«
»Ja. Die beiden versuchten uns mit ihren Kugeln zu vertreiben. Wir feuerten zurück. Einer stürzte vom Pferd und die Stampede ging über ihn hinweg.« Der Verwundete sprach jetzt mit gefestigter Stimme. Er räusperte sich, stöhnte und fuhr fort: »Der andere – ich weiß nicht, was aus ihm wurde. Von ihm war plötzlich nichts mehr zu sehen oder zu hören. Shannon stellte uns vor die Wahl: Wenn wir ihm nicht gehorcht hätten, hätte er uns zum Teufel gejagt. Wir hätten unseren Job verloren. Auf den Ranches sind in dieser Jahreszeit sämtliche Stellen vergeben. Wir hätten als Landstreicher geendet. Also haben wir uns für Shannon entschieden.«
»Du wirst einen hohen Preis dafür zu bezahlen haben, Orrel«, gab McQuade zu verstehen.
*
Es war hell, als die Ranch vor McQuades Blick lag. Er verharrte auf dem Scheitelpunkt einer Bodenwelle. Irgendetwas, das er nicht zuordnen konnte und das sich seinem Verstand entzog, warnte ihn.
Auf der Ranch schien alles ruhig zu sein. Aber das war ungewöhnlich nach allem, was geschehen war. Die Ruhe mutete den Texaner unecht und trügerisch an. Fast mechanisch zog er das Gewehr aus dem Scabbard, ohne
Weitere Kostenlose Bücher