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Mea culpa

Mea culpa

Titel: Mea culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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neunmal angerufen. Neunmal!«
    Synne verwandelte sich in einen Kartoffelsack aus dickem Wollstoff.
    »Ich freue mich ja, wenn du anrufst, Synne, das ist es nicht  …«
    Sie machte eine unbeholfene Armbewegung und hätte fast das Handtuch fallen lassen, in das sie noch immer gewickelt war.
    »Aber neunmal … wenn du doch weißt, dass ich zu tun habe!«
    Der Tag war ruiniert. Der Abend war ruiniert. Der Diamant brannte noch immer in ihrer Tasche, aber er hatte seinen Wert verloren. Die große Überraschung mit Champagner, echtem Champagner, nach der eigentlichen Trauung, sodass nicht nur ihre Schwester heiratete, sondern auf eine heimliche und schöne Weise auch sie, Rebecca und Synne, auf den Tag genau sieben Jahre, nachdem die Sonne fast über dem Regierungsviertel abgestürzt wäre, er war ruiniert. Es konnte nichts mehr daraus werden.
    Synne erhob sich; in ihrer vollen Größe samt Trachtenschuhen überragte sie die barfüßige Rebecca um Haupteslänge.
    »Hier!«
    Das Schmucketui knallte auf die hölzerne Kommode.
    »Da ist der Diamant. Der hat verdammt viel gekostet. Ich hatte ihn dir heute geben wollen. Heute Abend, meine ich, zu Champagner und allem Drum und Dran. Aber jetzt hast du alles kaputtgemacht. ALLES! «
    Synne zog das Zertifikat hervor. Natürlich musste Rebecca auch das Zertifikat bekommen. Darauf stand schließlich, wie teuer der Diamant gewesen war. Sie gestikulierte so heftig, dass der Umschlag zerriss. Wütend versuchte Synne, ihn wieder zusammenzufügen, aber sie sah gleich ein, dass es unmöglich wäre, und ließ ihn fallen.
    »Mach’s gut.«
    Synne lief durch die Tür, knallte sie ins Schloss und ging über die Auffahrt zu ihrem Auto, wobei sie dringend hoffte, dass Rebecca die Tür aufreißen, sie zurückrufen, hinter ihr herlaufen, sie zurückholen, sie umarmen, alles zurückspulen und die Szene noch einmal beginnen würde.
    Aber Rebecca kam nicht. Als Synne das Auto erreicht hatte – es gab ja Grenzen dafür, wie viel Zeit sie sich für die zwanzig Meter lassen konnte –, schaute sie sich verstohlen um. Die Tür war so geschlossen, wie sie sie nachdrücklich hinterlassen hatte.
    Zwanzig Minuten lang saß Synne zwei Straßen von Rebeccas Haus entfernt und starrte ihr Mobiltelefon an. Es wollte einfach nicht klingeln. Mehrere Male wählte sie ihre eigene Nummer, nur um sich davon zu überzeugen, dass ihr Telefon funktionierte, blitzschnell; beim ersten Klingeln legte sie auf, um die Leitung nicht zu blockieren, wenn Rebecca anrief, um Synne um Verzeihung zu bitten. Falls sie anrief.
    Synne schlug krachend mit dem Arm auf das Lenkrad. Es klingelte.
    »Hallo«, murmelte sie.
    »Synne  …«
    Gute Stimme!
    »Hallo.«
    »Es tut mir wirklich Leid, Herzchen. Ich war heute hoffnungslos. Du bist nicht die Einzige, die darunter leiden musste. Kannst du nicht zurückkommen?«
    Jetzt war eindeutig Härte gefragt.
    »Do-hoch«, sagte sie zögernd.
    »Red keinen Unsinn. Das möchtest du doch! Also, komm, dann mache ich das Päckchen auf. Ich bin ja so gespannt.«
    »Na gut. Bin gleich da.«

    »Rebecca! Endlich!«
    Synnes Schwester. Synnes treue, loyale, adrette, schöne Braut von Schwester öffnete die Arme zu einer Begrüßung, wie eine alte beste Freundin sie verdient hätte.
    »Das wurde aber auch Zeit«, lachte sie, fasste Rebecca an den Schultern und musterte sie offen, bewundernd, anerkennend, um sie dann wieder zu umarmen, fest und lange, und Synne konnte sehen, dass Rebecca sich kein bisschen unbehaglich dabei fühlte. »Ich bin so froh, dass du kommen konntest. So ungeheuer froh! Und jetzt komm, dann stell ich dir alle vor  …«
    Sie packte Rebeccas Hand und bugsierte sie beide durch die Menschenmenge. Es war warm, Rebecca trug ein ärmelloses schwarzes Kleid, und Synne versuchte, die Silberbrosche an ihrem Kragen zu lockern.
    »So.«
    Die raschen Finger der Mutter machten sich an ihrem Hals zu schaffen, sie war aus dem Nichts aufgetaucht, und Synne konnte wieder atmen.
    »Du bist aber schön«, sagte sie und streichelte die Brust der Tochter. »Aber hättest du nicht mal zum Friseur gehen können?«
    »Mama  …«
    »Wo ist Rebecca?«
    Synne konnte nicht antworten, Rebecca stand auf der Terrasse, und die Mutter sah sie: Rebecca und Silje und den Bräutigam Einar und den Vater; der Vater lachte über etwas, das Rebecca gesagt hatte, heftig, den Kopf in den Nacken gelegt, seine Fliege hüpfte vor Freude auf und ab, und noch aus dieser Entfernung konnte Synne sehen, dass mit Rebecca

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