Meade Glenn
Feierabend ruhig, und das galt auch für die Kneipen und Restaurants. Sie und Jack hatten sich schon mehrmals mittags in dem Restaurant getroffen. Heute war sie zum ersten Mal abends hier, und es war nicht viel los. Die Gäste, die an den Tischen saßen, konnte man an einer Hand abzählen.
Nikki schaute wieder aus dem Fenster. Jack wollte um Viertel nach neun kommen. Diesmal war er nicht pünktlich, und es dauerte noch zwanzig Minuten, bevor sie den dunkelblauen Ford sah, der unter einer Straßenlaterne anhielt. Jack saß auf dem Beifahrersitz. Am Steuer saß ein Schwarzer und auf der Rückbank ein Mann Ende dreißig mit slawischen Gesichtszügen.
Jack schlug die Tür zu und klopfte aufs Dach. Der Fahrer drehte und fuhr an der FBI-Zentrale vorbei die 10. Straße hinunter.
Die Männer waren offenbar Kollegen von Jack. Kurz darauf betrat er die Pizzeria. Nikki fielen sofort die dunklen Ringe unter seinen Augen auf. Er sah erschöpft und blass aus. Jetzt meldete sich ihr schlechtes Gewissen, ihn zu diesem Treffen gedrängt zu haben. Jack winkte ihr zu und stand kurz darauf vor ihrem Tisch. Er küsste sie auf die Wange. »Tut mir Leid, Nikki, dass ich nicht angerufen habe. Und jetzt komm ich auch noch zu spät. Wir stecken bis zum Hals in Arbeit.«
Er strich Daniel übers Haar. »Du müsstest schon im Bett liegen, oder? Wie geht’s, Cowboy?«
»Gut, Jack.« Daniel spielte mit seiner Pizza und widmete sich dann wieder den Buntstiften.
Jack schaute Nikki fragend an. »Ich habe heute keinen Babysitter auftreiben können. Darum musste ich ihn mitnehmen.«
»Kein Problem. Schön, euch beide zu sehen.«
»Du siehst total erledigt aus.«
Collins setzte sich neben sie, nickte und streichelte ihre Hand.
»Stimmt, ich bin fix und fertig. Was ist los, Nikki? Was gibt es so Dringendes?«
»Ich bestell uns einen Kaffee, und dann reden wir.«
Washington, D. C.
21.54 Uhr
Tamir fuhr in Richtung Pennsylvania Avenue. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Er hatte keine Angst, sondern war furchtbar aufgeregt, und gleichzeitig durchströmte ihn ein seltsames Gefühl der Ruhe. Nur wenige Minuten trennten ihn vom Tod.
Während er in dem Lieferwagen seinem Ziel entgegenfuhr, sprach er leise seine Gebete, Zeilen aus dem Koran, die ihm großen Trost spendeten. »Ich bringe Allah meine Gebete und mein Opfer und mein Leben und meinen Tod dar. Aus allen Himmelsrichtungen kommt der Tod zu ihm, doch er stirbt nicht.«
Er dachte an seine Familie in Jeddah. In diesem Leben würde er sie nicht mehr wieder sehen, aber das war nicht von Bedeutung. Er verdrängte diese irdischen Gedanken. Sein Name war Tamir Salamah, und ihm war ein Platz im Himmel versprochen worden. Er bog rechts in die Pennsylvania Avenue ein. Gleich hatte er sein Ziel erreicht.
Washington, D. C.
21.40 Uhr
»Du musst ganz ehrlich zu mir sein, Jack. So ehrlich, wie es dir unter den gegebenen Umständen möglich ist.«
Nikki beobachtete Jack, der einen Schluck Kaffee trank.
Obwohl er kaum noch die Augen offen halten konnte, war ihm seine innere Anspannung anzumerken. »Eh, Nikki, um was geht es eigentlich?«
»Ich möchte dich etwas fragen. Es hört sich wahrscheinlich komisch an, aber ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll.« Sie rückte näher an ihn heran und legte eine Hand auf seinen Arm. »Jack, geht in dieser Stadt etwas vor sich, was die Öffentlichkeit nicht erfahren soll? Was das FBI und die Polizei vor der Öffentlichkeit geheim halten wollen?«
Nikki musterte ihn aufmerksam. Er runzelte die Stirn und war plötzlich hellwach. Nikki ließ ihn nicht aus den Augen. Er wirkte nervös und sogar ein wenig ängstlich, was ganz untypisch für ihn war. »Was redest du denn da, Nikki?« Er musterte sie wachsam und wurde um eine Nuance blasser.
»Die Frage ist doch ganz simpel, Jack.«
»Ich weiß nicht, was du meinst, Nikki?«
»Wenn du meine Frage aus Gründen der Sicherheit nicht beantworten kannst, sag es mir einfach, Jack, und ich lass dich in Ruhe.«
»Worauf willst du eigentlich hinaus, Nikki.«
Nikki klärte Jack über ihren Besuch am Reagan Airport, die Übung der Polizei und die Soldaten in der Nähe von Daniels Vorschule auf. Brad Stelmans Beschattung erwähnte sie vorerst nicht. »Das alles ist mehr als seltsam, Jack. Mir kommt es fast vor wie eine Verschwörung. Ich weiß, dass du nicht über deinen Job sprechen möchtest und ich dir keine Fragen stellen soll, aber ich musste es tun.«
»Und darum wolltest du mich heute Abend unbedingt
Weitere Kostenlose Bücher