Meade Glenn
ehrlich zu dir sein. In all den Jahren unserer Freundschaft habe ich noch nie erlebt, dass du eine Frau richtig geliebt hast. Sicher, es gab ein paar Frauen in deinem Leben, und einige haben dich geliebt. Warum auch nicht? Du warst immer ein charmanter, hübscher, intelligenter Offizier, der Respekt verdiente. Du kamst bei Frauen immer gut an.«
»Ishim…«
»Ich will dich nicht in Verlegenheit bringen, sondern dir helfen, dich selbst besser zu verstehen. Ich glaube, du kannst die Liebe eines Menschen nicht erwidern. Andere Dinge wie deine Karriere oder politische Ziele gingen immer vor. Für Psychologen wärst du sic her ein interessanter Fall. Der frühe Verlust deiner Eltern könnte mit dem Widerstreben, enge Bindungen einzugehen, zu tun haben. Du hast Angst, Menschen, die du liebst, wieder zu verlieren. Es ist einfacher, sich jemanden vom Leibe zu halten und sich ganz in den Dienst seines Berufs oder seiner Berufung zu stellen. Man braucht keine Angst zu haben, zurückgewiesen oder fallen gelassen zu werden.«
»Was soll das, Ishim. Willst du dich als Psychiater betätigen?«
»Lass mich einfach ausreden. In einer Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann gibt es den, der liebt, und den, der geliebt wird. Auch wenn sie dich möglicherweise stärker geliebt hat als du sie, hat sie dir viel bedeutet. Sie war dir wichtig.
Vielleicht mehr, als du glaubst?«
»Vielleicht.«
»Du hast erst realisiert, was sie dir wirklich bedeutete, als es vorbei war. Du hättest sie nicht gehen lassen sollen, sondern das Risiko eingehen und dich auf sie einlassen sollen. Das wurde dir erst später klar. Damals konntest du das Risiko nicht eingehen, stimmt’s?«
»Ja.«
»Warum nicht?«
Gorev warf die Kippe weg. »Das ist alles ziemlich kompliziert, Ishim. Wer weiß das schon so genau? Könnte sein, dass du Recht hast und Verlustängste dahinter steckten. Karla war nur ein Jahr in Moskau. Unsere Trennung war unvermeidbar. Außerdem war sie nicht ungebunden. Sie war bereits verlobt und wollte für ihre Ziele kämpfen. Eine verzwickte Geschichte.«
»Ich glaube, sie hätte für dich alles stehen und liegen lassen.«
»Könnte sein. Aber ich habe es nicht getan.«
»Ist sie jetzt ungebunden?«
»Ja.«
»Liebst du sie?«
»Ishim, das Ganze ist eine Ewigkeit her…«
»Ich bin dein Freund, Nikolai. Sieh mich nicht so verlegen an.
Selbst wenn ihr seit Jahren nicht miteinander geschlafen habt, spielt das keine Rolle. Das ist belanglos. Liebst du diese Frau?«
»Ja, ich liebe sie.«
»Darf ich dir einen Rat geben?«
»Ich werde dich wohl kaum daran hindern können.«
»Wenn du deine Sache hier erledigt hast, lass dich irgendwo häuslich nieder und führe ein normales Leben. Unsere Zeit auf Erden ist knapp bemessen, Nikolai, und du hast immer nur gekämpft. Hör auf damit und genieße endlich das Leben.«
»Und was ist mit unseren Zielen?«
»Es gibt andere, die für unsere Ziele kämpfen können. Du hast schon zu lange gekämpft, und das auf Kosten aller anderen Dinge, die im Leben wichtig sind. Karla liebt dich. Und soweit ich es beurteilen kann, hat sie dich immer geliebt. Sie ist nicht der Typ, der darüber spricht, obwohl ihre Gefühle sehr stark sind. Nimm meinen Rat an und lass sie nicht ein zweites Mal gehen.«
»Die sentimentale Ader hast du deinen sieben Schwestern zu verdanken, Ishim. Du bist noch gar nicht so alt und betätigst dich schon als Ratgeber in Herzensdingen.«
»Untersteh dich, das meinen Männern zu sagen.« Razan lächelte gequält. Einer seiner Leibwächter kam ihnen entgegen.
Nachdem er Razan etwas ins Ohr geflüstert hatte, entfernte er sich wieder.
»Was ist los?«, fragte Gorev.
»Deine Freundin ist da. Wir wollen sie nicht warten lassen.«
Razan wies mit dem Kopf in Richtung Haus.
Karla trat durch den Hinterausgang ins Freie. Gorev winkte ihr zu und legte eine Hand auf Razans Schulter. »Ich kann nicht hier bleiben, Ishim.«
Der Tschetschene schürzte die Lippen und nickte. »Wie heißt es doch so schön: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Das trifft besonders auf Menschen wie uns zu. Man kann eine Sache noch so gut planen, und eines Tages kreuzt ganz unerwartet jemand auf und macht alle Pläne zunichte. Eine Waffe geht tausendmal los, bis der Abzug einmal klemmt. Eines Tages, wenn wir am wenigsten damit rechnen, wird sie uns beide töten. Was immer du auch tust, Nikolai, so bitte ich dich, vorsichtig zu sein.«
»Das habe ich vor.«
»Dann liegt dein Schicksal in Gottes
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