Meade Glenn
Ishim.«
»Wie fühlst du dich?«
»Dank deiner Hilfe viel besser. Ich bin dir sehr dankbar.«
»Ich will keine Dankbarkeit, Nikolai. Eine Erklärung würde mir reichen.«
»Ishim…«
Razan hob die rechte Hand, um Gorev zu beschwichtigen. Sie überquerten die kleine Brücke, die über den Bach führte. Razan zeigte auf die Bank auf der anderen Seite. »Komm, setzen wir uns.«
Gorev verzog das Gesicht, als er sich zu dem Tschetschenen auf die Bank setzte. »Warum werde ich das Gefühl nicht los, jetzt ins Kreuzverhör genommen zu werden?«
Razan schaute auf den Garten. »Gestern Abend brachte deine Freundin dich in einem äußerst kritischen Zustand zu mir, und das hat mir große Sorgen bereitet. Wir beide haben zusammen eine Menge durchgestanden, Nikolai. Und wir haben uns noch nie belogen. Niemals.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Ich mache mir große Sorgen, und das nicht nur wegen deiner Verwundung. Etwas anderes bereitet mir viel stärkere Kopfschmerzen. Deine Freundin Safa, oder wie immer sie heißen mag, hat zugegeben, die Polizei sei in die Sache verwickelt. Mehr wollte sie mir nicht sagen.«
»Das war clever von ihr, Ishim.« Gorev schüttelte den Kopf.
»Es ist nicht deine Angelegenheit.«
»Da bin ich aber anderer Meinung.«
»Halte dich da raus, Ishim. Das ist für alle das Beste.«
»Du gehörst zu meinen besten Freunden. Du kommst halb bewusstlos und schwer verwundet zu mir. Granatensplitter! Man höre und staune! Versetz dich einmal in meine Lage. Was sollte ich tun? Deine alten Freunde in Grosny anrufen und es ihnen sagen? Die ganze Sache kam mir spanisch vor. Daher habe ich ein paar Telefonate nach Tschetschenien geführt, nachdem der Arzt gegangen war.«
»Ishim…«
»Ich habe es tatsächlich geschafft, mit Hadik Selan zu sprechen. Wenn einer etwas weiß, dachte ich mir, dann einer der erfahrensten Kommandeure der Widerstandsbewegung.«
Gorevs Miene verdunkelte sich. »Und?«
»Selan behauptete, nichts zu wissen. Er konnte sich nicht erklären, was du hier machst. Aber Selan hat es faustdick hinter den Ohren. Keine Ahnung, ob es die Wahrheit war.«
»Hat er noch etwas gesagt?«
»Nicht viel. Die Verbindung war schlecht. Das Gespräch dauerte nur ein paar Minuten. Er riet mir, dir meine Hilfe anzubieten. Brauchst du Hilfe, Nikolai?«
»Nein.« Nikolai seufzte. »Hast du meinen Namen am Telefon erwähnt?«
»Warum?«
»Das wäre sehr unklug gewesen, Ishim. Die russischen Horchposten in Grosny versuchen, Selans Gespräche per Funk oder Telefon abzufangen.«
»Denkst du, das weiß ich nicht? Ich bin schlau genug, dich und Selan nicht in Gefahr zu bringen. Dein Familienname ist nicht gefallen. Selan und ich waren sehr vorsichtig.«
Gorev stand erregt auf. »Jetzt ist es eh zu spät.«
Razan war enttäuscht. »Was zum Teufel führst du im Schilde?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Ishim. Glaube mir. Je weniger du weißt, desto besser. Es war schon gefährlich genug, mir zu helfen. Ich bitte dich, niemandem zu sagen, dass ich hier war.
Du hast mich nie gesehen. Verstanden? Du würdest mich niemals verraten, nicht wahr?«
»Niemals. Ich würde notfalls mein Leben opfern, um dich zu beschützen. Das weißt du.«
Gorev nickte und warf einen Blick auf die Uhr. »Wann wollte Safa hier sein?«
»Sie müsste gleich kommen.«
»Okay, dann sollten wir jetzt zurückgehen.«
Mitten auf der Brücke blieb Razan stehen und legte eine Hand auf Gorevs Arm. »Ich habe noch eine Frage.«
»Nein, bitte nicht, Ishim.«
»Es hat nichts mit unserem Gespräch zu tun. Es geht um etwas anderes. Diese Frau, liebst du sie?«
»Was geht dich das an?«
»Es ist eine ganz einfache, unverfängliche Frage, Nikolai. Du traust mir doch, oder?«
»Mehr als jedem anderen Menschen.«
»Dann sag es mir. Heißt sie eigentlich wirklich Safa?«
Gorev zögerte. »Nein, Karla.«
»Erzähl mir von ihr. Wo habt ihr euch kennen gelernt.«
»In Moskau an der Universität. Das war in einem anderen Leben, lange bevor wir beide Seite an Seite gekämpft haben.«
»Hat sie dir damals etwas bedeutet?«
»Mehr, als ich je zugeben würde.«
Razan musterte Nikolai einen Augenblick, wandte sich dann ab und starrte auf einen Punkt in der Ferne. »Ich halte große Stücke auf dich. Das weißt du. Trotzdem muss ich zugeben, dass du ein seltsamer Bursche bist.«
»Wieso seltsam?«
»In meinem Gewerbe ist gute Menschenkenntnis von allergrößter Bedeutung. Davon könnte gegebenenfalls mein Leben abhängen. Ich will ganz
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