Meade Glenn
geschäftig hin und her.
Die Biologisch-Chemische Forschungsanstalt in Maryland gehört zu den schrecklichsten Orten der Welt, dachte Murphy.
Proben aller bakteriologischer Arten, jedes bekannte Gas oder Gift wurden hier in platinversiegelten Behältnissen dreißig Meter unter dem Erdboden in einem druckbeständigen Gewölbe aufbewahrt. Das war aber noch nicht alles. Die Grundpfeiler des Gebäudes waren mit Sprungfedern versehen, damit es einem Nuklearschock standhielt. Das war nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass hier genügend tödliche Proben lagerten, um ganz Amerika von der Landkarte zu tilgen.
Murphy rieb sich über die Augen, um die Müdigkeit zu vertreiben. Das Paket aus dem Schließfach war geröntgt worden, und bei dieser Untersuchung hatten sie eine kleine versiegelte Phiole entdeckt. Es handelte sich um eine Art bauchiges Reagenzglas von etwa zehn Zentimetern Länge, das auf den ersten Blick aussah, als wäre es leer. Doch seine Vorgesetzten hatten entschieden, es sei ein Fall für die Spezialisten, was immer es auch enthalten mochte. Eine halbe Stunde später war ein Team des Risiko-Materialien-Dezernates in einem speziellen Transporter vor Ort gewesen und hatte das Paket in einem versiegelten, gepolsterten Behälter mitgenommen. Murphy war dem Transporter mit zwei Agenten in seinem Wagen gefolgt.
Fast fünf Stunden später stand er noch immer im Labor und wartete ungeduldig auf die Analyseergebnisse. Von Professor Fredericks, dem Direktor des Labors, hatte er bereits die Ergebnisse der optischen Analyse erfahren. Die Phiole bestand aus dickem bruchsicheren Glas und enthielt eine winzige Spur einer braunen, zähen Flüssigkeit. Das war alles, was Murphy bisher wusste.
Die Tür wurde geöffnet, und ein kleiner, zwergenhafter Mann mit einem stark gekrümmten Rücken betrat in einem weißen Laborkittel den Raum. Er hielt einen Stapel Blätter in der Hand.
Murphy trank seinen Pappbecher leer, zerknitterte ihn und warf ihn in den Papierkorb. »Was haben Sie für mich, Professor?«
Professor Elliot Johnson Fredericks trug eine Brille, deren Gläser nur oben eingefasst waren. Er machte ein Gesicht, als wäre er soeben von einer Beerdigung zurückgekehrt. Murphy hatte den Professor heute Morgen kennen gelernt und sich sofort ein Bild von ihm gemacht. Er gehörte bestimmt nicht zu den Typen, die in Kneipen herumhingen oder sich mit Freunden zum Pokern trafen. Andererseits lag auf der Hand, dass ein Mann, der den Schlüssel zur Büchse der Pandora in Händen hielt und den halben Planeten auslöschen konnte, nicht unbedingt über komödiantisches Talent verfügen musste.
Fredericks nahm seine Brille ab und reichte Murphy mit beunruhigtem Blick die Blätter. »Ich habe die Ergebnisse. Aber zuerst möchte ich etwas klarstellen.«
»Was?«
»Sie haben gesagt, dass diese Sache unter absoluter Geheimhaltung steht?«
»Richtig.«
»Um meine persönliche Neugier als Direktor dieses Labors zu befriedigen, muss ich Sie dennoch fragen, was um alles in der Welt vor sich geht? Woher haben Sie diese Phiole?«
»Tut mir Leid, Professor. Anweisungen von ganz oben. Jeder hier muss vorläufig absolutes Stillschweigen bewahren. Bitte schärfen Sie das auch Ihren Mitarbeitern ein. Sie und Ihre Kollegen sind derartige Befehle sicher gewohnt. Sie arbeiten immerhin für die Regierung.«
Fredericks sah gekränkt aus. Er reichte Murphy den Stapel Papier. »Schauen Sie sich die letzte Seite des Berichts an. Dort steht, was die Phiole enthält.«
Murphy nahm die Blätter entgegen. Fast der ganze Bericht war in Fachchinesisch geschrieben, das er nicht verstand, und auch die Tabellen sagten ihm nichts. Er blätterte den Bericht schnell bis zur letzten Seite durch. Dort fand er eine Zusammenfassung der Ergebnisse, die in verständlicher Sprache geschrieben war. Er brauchte ein paar Minuten, um das Gelesene zu verdauen. Dann hob er den Blick und riss den Mund auf. »Das ist doch hoffentlich nicht Ihr Ernst, Professor?«
»Wir haben drei verschiedene Tests durchge führt, um ganz sicherzugehen. Es besteht nicht der geringste Zweifel.«
9.45 Uhr
Nikolai Gorev rutschte auf der Couch ein Stück nach vorn und schaltete die NBC-Nachrichten ein. Der Ton war leise gestellt.
Ein Reporter kommentierte die Szene eines stümperha ften Raubüberfalls auf eine Tankstelle in Georgetown, wo zwei Jugendliche von der Polizei erschossen worden waren. Gorev zappte durch die anderen nationalen und lokalen Sender und verfolgte die
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