Meade Glenn
Nachrichten auf allen Kanälen.
Raubüberfälle, Schießereien, tödlich endende Rassen-konflikte, Verbrechen, Morde: ein Amoklauf von zwei Studenten an einer Highschool in Idaho, bei dem drei Studenten getötet und vier verwundet wurden. Zwei weiße Männer in Alabama erstachen einen Obdachlosen schwarzen Mann, weil er gebettelt hatte. Das Leben in Amerika ging für amerikanische Verhältnisse seinen gewohnten Gang. In den Straßen herrschte keine Panik, seitdem die aufgezeichnete Nachricht überbracht worden war. Und die Bürger der Hauptstadt wurden nicht vor einer drohenden Gefahr gewarnt. Das bedeutete, dass sich die Leute im Weißen Haus an die Anweisungen hielten.
Gorev schaltete den Apparat aus. Er hatte knapp vier Stunden geschlafen, nachdem er mit Mohamed Rashid vom Friedhof in Floraville zurückgekehrt war. Dennoch war er hellwach, und das Adrenalin strömte durch seine Adern. Karla stand unter der Dusche. Nach ein paar Minuten verstummte das Plätschern des Wassers, und Karla Sharif kam zu ihm. Sie trug einen Bademantel, unter dessen dünnem Baumwollstoff sich ihre Hüften und ihr Gesäß abzeichneten. »Hast du dir die Nachrichten angesehen?«
Gorev legte die Fernbedienung auf den Tisch. »Es wurde keine Warnmeldung durchgegeben.«
Karla setzte sich neben ihn. Sie hatte ein hübsches Gesicht, und je nach Stimmung kam ihre Schönheit unterschiedlich stark zur Geltung. Um ihre gute Figur hätten sie viele Frauen beneidet. Gorev wusste, dass dieses Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den mandelförmigen braunen Augen die Blicke vieler Männer auf sich zog. Aber das war nicht der Grund, warum er sie liebte. Es gab unzählige andere.
»Inzwischen hatten die Amerikaner Zeit, den Inhalt des Bandes zu verdauen. Vermutlich haben sie auch bereits den Inhalt der Phiole analysiert.«
«Und wenn sie die Bedrohung an die Öffentlichkeit bringen und versuchen, die Stadt zu evakuieren?«
»Rashid glaubt nicht, dass sie das tun werden, wenn sie nicht vollkommen den Verstand verlieren. Wie sollten sie vor unseren Augen eine Stadt evakuieren, Karla? Wir würden es sehen.
Glaub mir, die Amerikaner werden dieses Spiel genau nach unseren Spielregeln spielen.«
»Und wenn sie uns suchen?«
Gorev entging Karlas sorgenvolle Miene nicht. Er schaute ihr in die Augen und streichelte ihr über die Wange. »Das werden sie mit Sicherheit tun. Aber Rashids Plan ist todsicher. Und wenn wir uns an den Plan halten, werden wir alle am Leben bleiben.« Er zog seine Hand weg und schaute auf die Uhr. »Du musst jetzt gehen, sonst kommst du zu spät, und Rashid macht sich Sorgen.«
Karla stand auf. »Kommst du nicht mit?«
Gorev schüttelte den Kopf und stand ebenfalls auf: Er griff nach seiner Jacke und überzeugte sich davon, dass die Beretta noch in der Tasche steckte. »Es ist besser, wenn wir getrennt gehen. Ich wette, die Amerikaner suchen uns mittlerweile schon.
Wann treffen wir uns?«
»Um zwölf Uhr«, erwiderte Karla, die ihm einen Kuss auf die Wange gab. »Wir gabeln dich um zwölf Uhr am Dupont Circle auf.«
8
Washington, D.C.
Sonntag, 11. November, 8.30 Uhr
Die Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates im Krisenraum des Weißen Hauses begann pünktlich. Der Präsident war tadellos gekleidet. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug, ein helles Hemd und eine Fliege. Zu den Männern, die sich hier versammelt hatten, gehörten unter anderem Alex Havers, der Vizepräsident, der Vorsitzende der obersten Behörde des Verteidigungsministeriums, die Direktoren des FBI und der CIA, der Außenminister und der Verteidigungsminister. Die vierzehn Männer und zwei Frauen, die heute Morgen im Krisenraum auf den Präsidenten warteten, waren seine engsten Berater und Vertrauten. Einige von ihnen waren Vorstandsvorsitzende großer Unternehmen oder Offiziere. Sie erhoben sich alle, als der Präsident den Saal betrat.
Präsident Andrew W. Booth bediente sich einer einfachen Sprache, die er in dieser Situation für angebracht hielt. »Zuerst einmal möchte ich Ihnen allen danken, dass Sie gekommen sind.« Er machte eine kurze Pause. »Ich hoffe aufrichtig, dass sich die Krise, die uns alle heute Morgen hier zusammengeführt hat, als Bluff eines Verrückten herausstellen wird. Sollte das nicht der Fall sein, liegt vor uns allen eine sehr schwierige und kritische Zeit.«
Der Krisenraum war bemerkenswert schlicht ausgestattet: cremefarben gestrichene Wände und ein großer langer Tisch mit einfachen Stühlen. Dennoch konzentrierte
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