Meade Glenn
anrufen?«
»Eine ganz seltsame Sache. Ich bin heute Nacht telegrafisch über den Rückzug einer großen Anzahl von US-Soldaten aus dem Nahen Osten unterrichtet worden, und niemand scheint irgendetwas darüber zu wissen.«
Washington, D. C.
4.00 Uhr
Der Mann lag wach im Bett und konnte nicht einschlafen. Er stand auf, zog sich einen Morgenmantel über und ging zum Schlafzimmerfenster. Als er auf die schlafende Stadt schaute, dachte er: So nahe vor dem Ziel, und jetzt das…
Er hatte sich erst vor einer Stunde hingelegt, nachdem er die Information über den US-Truppentransfer nach Israel weitergegeben hatte. Obwohl er sein »geklontes« Handy benutzt hatte, war es eine gefährliche Aktion. Ihm blieb keine andere Wahl, als die Info unverschlüsselt durchzugeben. Nach dem kurzen Gespräch hatte er das Handy sofort ausgeschaltet. Ein persönliches Treffen mit seinem Kontaktmann war im Augenblick unmöglich. Wenn er darauf bestanden hätte, das Haus ohne Personenschutz zu verlassen, wären die Agenten misstrauisch geworden. Die Info unverschlüsselt durchzugeben war das kleinere von zwei Übeln. Das »geklonte« Handy bot zwar einen gewissen Schutz, doch er konnte trotzdem nicht schlafen. Er hatte große Angst vor Abu Hasims Reaktion. Mit dem Truppentransfer warf der amerikanische Präsident der al-Qaida in allerletzter Minute Knüppel zwischen die Beine. Eine überraschende Wende, mit der niemand hatte rechnen können.
Diese Aktion könnte die ganze Operation gefährden. Würde Abu Hasim den Truppentransfer nach Israel dulden oder auf einen Rückzug aller Truppen aus der Region bestehen?
Vermutlich würde er den Transfer nach Israel nicht akzeptieren, und das bereitete ihm große Sorgen. Ihm war Abu Hasims Persönlichkeit gut bekannt. Er würde diesen Schritt als Verrat ansehen. Die Nachricht würde seine Wut entfachen, und seine Wut könnte schlimme Folgen haben. Er könnte die Bedingungen hochschrauben oder die Bombe augenblicklich zünden. Der Mann strich sich mit zittriger Hand über die Stirn. Er hatte in seinem Gespräch zu Vorsicht gemahnt, aber er wusste, dass die Aktion der Amerikaner schlimme Konsequenzen nach sich ziehen könnte.
So nahe vor dem Ziel…
Noch etwas anderes machte ihm große Sorgen. Abu Hasim würde sich vermutlich sofort an den Präsidenten wenden. Seine prompte Reaktion wiederum würde im Weißen Haus die Frage aufwerfen, woher Abu Hasim diese Info bezogen hatte. Der Mann war sich des Risikos, die Information weiterzugeben, durchaus bewusst. Er hatte seinem Kontaktmann einen Tipp gegeben, wie Abu Hasim eine Erklärung für die Information liefern konnte, ohne das Misstrauen des Präsidenten zu wecken.
Hoffentlich hielt sich Hasim daran, sonst könnte er in große Gefahr geraten.
Ihm brummte der Schädel. Auf dem Nachtschrank lagen Beruhigungspillen. Er schluckte zwei ohne Wasser hinunter.
Seine gefährliche Reise war bald zu Ende, und kurz vor dem Ziel war eine derartige Operation immer besonders riskant. Das wusste er aus Erfahrung. Es blieben noch acht Stunden, die er ohne Zweifel schlaflos verbringen würde. Tausend Dinge gingen ihm durch den Kopf. Seine Hoffnungen, Träume und Visionen hatten ihn geleitet. Er blieb standhaft und war entschlossen, die Sache unabhängig von den Konsequenzen bis zum Ende durchzuziehen. Er musste es tun. Seine Prinzipien standen auf dem Spiel. Er würde nicht nachgeben. Als er an die acht Stunden dachte, die vor ihm lagen, erschauerte er.
Hunderttausende von Menschen schwebten noch immer in Lebensgefahr. Er schaute auf die Uhr auf dem Nachttisch.
4.10 Uhr
Der Tag des Jüngsten Gerichts hatte begonnen.
Washington, D. C.
3.50 Uhr
Benny Visto lag reglos auf dem Operationstisch in Harold Rotsteins Privatklinik.
»Wie geht es ihm?«, fragte Frankie. Er stand am Ende des Tisches und beobachtete Rotstein, der sein Stethoskop über Bennys Brust gleiten ließ.
»Er lebt noch, aber sein Leben hängt an einem seidenen Faden«, erwiderte Rotstein mit bebender Stimme. »Die Wunde hat wieder angefangen zu bluten.«
»Sie haben ihm doch eine Spritze gegeben.«
»Das hat nicht funktioniert, Mr. Tate. Glauben Sie mir, ich habe alles getan, was ich konnte.«
»Wollen Sie damit sagen, Benny wird sterben?«
»Wenn Sie ihn nicht in ein Krankenhaus bringen, hält er nicht mehr lange durch. Es tut mir Leid, Mr. Tate…«
»Halten Sie den Mund.« Frankie traf augenblicklich eine Entscheidung. Er umklammerte den Kittel des Arztes und zog ihn zur Tür. »Rufen
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