Meade Glenn
Bewusstsein verlor.
73
Washington, D. C.
00.45 Uhr
Die Washington Post, die 1877 zum ersten Mal auf vier Seiten Hadernpapier erschien, mauserte sich im Laufe der Jahre zu einem großen Zeitungsverlag. Die Zeitung hatte schon oft Licht ins Dunkel amerikanischer Politskandale gebracht. Im Laufe der Jahrzehnte deckten die Post -Reporter eine Reihe von Vertuschungsaffären auf. Zwei von ihnen, Woodward und Bernstein, hatten Richard Nixons Verwicklung in den Watergate-Skandal aufgedeckt und geholfen, ihn aus dem Amt zu drängen.
Barney Redmond Woods war der verantwortliche Redakteur der Nachtschicht, ein grauhaariger Mann von sechsundfünfzig Jahren, ein alter Hase, der schon seit dreißig Jahren als Journalist tätig war. Er saß in seinem Büro und trank eine Tasse Kaffee nach der anderen, was sich auf sein Magengeschwür verheerend auswirkte. Um ein Uhr fünfundvierzig musste die Zeitung in Druck gegeben werden. Eine halbe Stunde später wurde die endgültige Fassung gedruckt. Woods war alles andere als glücklich. Seine Nerven waren angespannt. Seine Schicht hatte um fünfzehn Uhr begonnen und ging bis Mitternacht.
Normalerweise hätte er scho n zu Hause mit einem Scotch auf der Couch sitzen und sich entspannen können. Und er saß noch immer in diesem gottverdammten Büro.
»Nikki, du hast einen Verdacht, und das ist alles. Wenn wir was darüber schreiben wollen, brauche ich Fakten.«
Nikki, die Barney Woods gegenübersaß, hatte den Fall schon dreimal mit dem Redakteur durchgesprochen und war mittlerweile heiser. Sie hatte furchtbare Schmerzen am ganzen Körper. Ihr verbundener Arm pochte, ihr Kopf schmerzte, und ihr geschwollenes Gesicht brannte. Sie hatte vergessen, sich im Krankenhaus Schmerztabletten geben zu lassen, was sie nun bitter bereute. Als sie vorhin auf der Toilette in den Spiegel gesehen hatte, bekam sie einen Schock. Mit den Verbänden und Schwellungen sah sie aus, als hätte sie mit knapper Not einen Frontalzusammenstoß überlebt.
»Irgendetwas wird an deinen Vermutungen schon dran sein, Nikki, aber ich brauche Beweise«, sagte Woods. »Ich kann nicht auf einen vagen Verdacht hin eine Story schreiben.«
Nikki dachte: Er hat Recht. Sie hatte das Gefühl, dass es in Washington nicht mit rechten Dingen zuging, ohne dies beweisen zu können. Seit fünf Stunden hing sie fast ununterbrochen an der Strippe. Ein halbes Dutzend Mal hatte sie den Polizeipräsidenten in seinem Büro und zu Hause angerufen, um ihn persönlich nach der Übung der Polizei zu fragen. Der Polizeipräsident wollte offenbar nicht mit ihr sprechen. Seine Frau verriet ihr nicht, wo sie ihn erreichen konnte, und ehe sie auflegte, verwies sie Nikki an die Pressestelle der Polizei, die Brad Stelman leitete. Auch im Polizeipräsidium wurde sie abgewimmelt. »Tut mir Leid, Madam, rufen Sie bitte morgen während der Bürozeiten an. Hier ist im Moment niemand, der Ihnen weiterhelfen könnte.«
Nikki versuchte ebenfalls vergebens, Major Craig, den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Militärs, zu erreichen. Der Major hatte seinen freien Tag. Ein gewisser Captain Torc, mit dem sie verbunden wurde, hörte ihr höflich zu, ohne ihr nähere Auskünfte über die Übungen des Militärs zu geben. Er verwies sie an Major Craig, der am nächsten Tag wieder im Dienst sein würde.
Natürlich wusste auch im Büro des Bürgermeisters niemand Bescheid. Man bat sie, in den Pressestellen der Polizei und des Militärs anzurufen und dort ihre Fragen zu stellen. Nach den endlosen Telefonaten war Nikki wütend und frustriert. Ihr brummte der Schädel, und sie war mit den Nerven am Ende.
Seitdem sie in der Redaktion saß, rief sie ihre Mutter stündlich im Krankenhaus an, um sich nach Daniel zu erkundigen. Sein Zustand hatte sich stabilisiert, und er war zweimal aufgewacht. Nikki schrie vor Freude und Erleichterung.
Es quälte sie, nicht bei ihm zu sein. »Und was ist mit dem Bombenattentat vor der FBI-Zentrale, Barney? Was ist damit?«
»Darüber haben wir, wie alle Zeitungen und Sender im ganzen Land, gestern berichtet, und wir bleiben natürlich dran.
Das FBI geht offiziell von einem Anschlag einer extremistischen Gruppierung aus.«
»Welche Beweise haben sie dafür?«
»Nikki, die Explosion ist vor vierundzwanzig Stunden erfolgt, und die Ermittlungen haben gerade erst begonnen. Es dauert, bis erste Erkenntnisse vorliegen. An der Sache sitzen hier bei uns ein Dutzend Leute. Warum zum Teufel glaubst du eigentlich, häng ich noch hier im
Weitere Kostenlose Bücher