Meade Glenn
was bei den meisten tödlichen Nervengasen der Fall ist. Sogar Kugelschreibertinte ist nur einen Schritt vom Sarin-Gas entfernt. Selbst Formeln sind zum Teil problemlos erhältlich. Das von den Briten erfundene VX und die Methode der Herstellung wurden zum Beispiel vor über dreißig Jahren zum ersten Mal vom britischen Patentamt veröffentlicht. Diesen Bericht kann sich jeder beschaffen. Mit einer einfachen Laborausstattung könnte jeder, der über ein gewisses chemisches Grundwissen verfügt, VX und fast jedes andere Nervengas herstellen. Viele von ihnen gehören zu einer Gruppe industrieller Chemikalien, die als Organphosphate bekannt sind und gewöhnlich als Insektizide benutzt werden.
Für militärische Zwecke werden sie mit einem viel höheren Grad an Toxizität hergestellt. Schon vor langer Zeit haben meine Kollegen und ich vor genau dieser Gefahr gewarnt, Mr.
President.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst, Professor, aber um noch einmal auf die Frage der Menge zurückzukommen…«
»Grob geschätzt, könnte eine Tonne dieser flüssigen Chemikalie ausreichen, wenn sie effektiv verbreitet wird. Das sind etwa tausend Liter, ungefähr das Fassungsvermögen kleiner Heiztanks, die man in Vorstadthäusern findet. Es wäre mehr als genug, um eine gewaltige Anzahl von Menschen zu töten.«
»Und wie funktioniert es?«
»Wie das VX und fast alle anderen Nervengase, die wahrscheinlich die barbarischsten Waffen sind, die je erfunden wurden. Es greift die motorischen Nervenrezeptoren im menschlichen Gehirn und Körper an. Die Synapsen, die Hirnsignale zwischen den Nervenzellen transportieren, werden lahm gelegt. Das Opfer eines Nervengasangriffes erleidet unkontrollierbare innere und äußere Zuckungen. Die Chemikalien greifen die Atemwege und Lungen an, und das Opfer bekommt keine Luft mehr. Es hat das Gefühl, als würden die Lungen brennen. Oft brechen die Blutgefäße. Das führt zu einem extrem grausamen Tod.«
»Gibt es Gegenmittel?«
»Nun, ja und nein. Es gibt ein Gegenmittel namens Atropin.
Opfer, die dem VX ausgesetzt waren, müssten sofort aus dem verseuchten Gebiet weggeschafft werden und das Mittel gespritzt bekommen. Das wäre nicht möglich, wenn das Gas überall versprüht werden würde. Hinzu kommt, dass das Atropin sofort zur Hand sein muss, und die Injektion ist eine äußerst unangenehme Sache. In der Regel wird mit einer langen Nadel in einen straffen Muskel oder sogar direkt ins Herz gespritzt.
Atropin wirkt jedoch nicht immer. Es hängt davon ab, welch einer Menge des giftigen Stoffes das Opfer ausgesetzt war und wie lange. Hier haben wir es mit einer Chemikalie zu tun, die weit giftiger ist als VX. Es ist fraglich, ob das Gegenmittel in diesem Fall überhaupt wirken würde.«
»Könnte man den Menschen das Gegenmittel vor einem Angriff verabreichen, falls es wirken würde?«
»Theoretisch ja, wenn man ein wirksames Gegenmittel hätte.«
»Und wie können wir eins beschaffen?«
»Wer auch immer das Gas herstellt, müsste ein Gegenmittel haben. Es muss aber nicht so sein. Wenn es nicht der Fall ist, müssen wir versuchen, selbst ein Gegenmittel herzustellen.«
»Wie lange würde das dauern?«
»Das kann ich unmöglich sagen. Drei Monate, sechs Monate oder vielleicht auch nie.«
» Nie? «
»Alle Nervengase greifen den Körper sehr schnell durch das Lungen- oder Hautgewebe an. Sie werden unverzüglich in den Blutstrom aufgenommen und agieren aggressiv. Gasstoffe sind nicht mit Bakterien oder Viren vergleichbar. Sie sind hochgiftig und in kürzester Zeit tödlich. Das heißt eher innerhalb weniger Sekunden oder Minuten als innerhalb von Tagen oder Wochen.
Und dieses Gas ist das giftigste, mit dem ich je zu tun hatte. Es würde augenblicklich töten. Es ist so hochgradig giftig, dass sich jedes etwaige Gegenmittel als unwirksam herausstellen könnte.«
Der Präsident seufzte. »Aber es wäre doch sicher schwierig zu lagern, oder?«
»Keineswegs. Das ist der große Vorteil von dieser Art Novichok. Es wird in der Regel in binärer Form aufbewahrt.
Dieses Gift besteht hauptsächlich aus zwei ungefährlichen Chemikalien, die nur tödlich sind, wenn sie gemischt werden.
Die beiden Chemikalien können zum Beispiel in getrennten Kammern innerhalb einer Granate, in zwei getrennten Kammern einer Raketenkapsel oder in Schutzcontainern wie versiegelten Ölfässern untergebracht werden. Wenn die Kapsel oder die Rakete oder der entsprechende Container explodieren, produziert die chemische
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