Meade Glenn
es schon. Andererseits fühlte sie sich von einer Last befreit.
Nach einer Weile hob er den Blick. »Ich weiß, was du mir sagen willst, Nikki. Ehrlich gesagt, berührt es mich sehr. Uns verbindet eine großartige Freundschaft. Jeder andere Typ würde sicherlich sofort einwilligen. Vermutlich werde ich in meinem Leben nie mehr eine Frau wie dich treffen…«
Sie verließ der Mut. Jack hatte in freundlichem Ton gesprochen, aber dennoch war seine Zurückhaltung nicht zu überhören. In seinen hellblauen Augen spiegelte sich Wachsamkeit.
»Aber…?«
»Nikki, ich glaube nicht, dass ich schon in der Lage bin, eine so feste Bindung einzugehen… Es ist noch zu früh.«
Nikki kränkte die Abfuhr, doch sie ließ es sich nicht anmerken. »Und es gibt keinen anderen Grund?«
»Was sollte es sonst für einen Grund geben?«
;»Für manche Männer ist es schwierig, für ein fremdes Kind den Vater zu spielen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich mag Daniel sehr, Nikki, und das weißt du. Mögen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich habe ihn sehr gern. Er ist ein großartiger Junge. Ich gebe zu, dass ich sogar schon manchmal mit dem Gedanken, so etwas wie ein Vater für ihn zu sein, gespielt habe… Später vielleicht, aber nicht jetzt. Verstehst du das, Nikki?«
Ehe sie ihm antwortete, schwieg sie einen Augenblick. Sie hätte ihm gern gesagt, dass sie nicht ewig warten könne und ihr in den letzten Monaten bewusst geworden sei, wie schnell die Zeit verging. Der Wunsch nach einer soliden, festen Beziehung wurde immer stärker. Sie hatte keine Lust mehr, mit Daniel allein durchs Leben zu gehen. Das alles konnte sie ihm nicht sagen. »Ich verstehe dich.«
»Wirklich, Nikki?«
»Sicher.« Sie ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken.
»Am besten, wir vergessen die Sache und sprechen vorerst nicht mehr darüber. Heute war vermutlich auch der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um das Thema anzuschneiden. Es tut mir Leid, Jack.«
»Und was ist mit dem neuen Job?«
Nikki schüttelte den Kopf. »Darüber können wir ein anderes Mal in Ruhe sprechen. Die Gazette hat mir eine Woche Bedenkzeit eingeräumt.«
Er zog ihre Hand zu sich heran und gab ihr einen Kuss auf die Handfläche. »Und du bist wirklich nicht traurig, Nikki?«
»Nein, bin ich nicht.« Sie lächelte, beugte sich über den Tisch und küsste ihn auf die Wange. »Ich wollte, dass du weißt, was ich fühle.«
Nikki parkte vor dem Friedhof. Collins ging allein durch das Tor, während Nikki im Wagen wartete. Dieser Augenblick gehörte ihm allein. An diesem Tag war er es den Verstorbenen schuldig, ihrer zu gedenken. Am Grab zu stehen, in dem seine Frau und sein Sohn ruhten, und den Stein zu berühren, der ihre Namen trug.
Collins ging an den Grabsteinen aus Granit und Bronze und an den Erdhügeln frisch ausgehobener Gräber vorbei, an denen Menschen in Trauer versunken verharrten. Manche Menschen bevorzugten es, ihre geliebten Wesen in kunstvollen Grüften oder hinter einer Wand aus Messing-Gedenktafeln beizusetzen.
Jack hatte seine Frau und seinen Sohn auf einer kleinen Anhöhe begraben, auf die der Schatten einiger Kiefern und knorriger alter Eichen fiel. Er legte die Blumen aufs Grab, sprach die Gebete, die er immer sprach, und sagte wie stets, dass er sie vermisse, sich nach ihnen sehne und ihn schreckliche Trauer und unendlicher Schmerz quäle.
Nichts würde sie je ersetzen. Als er dort in der kalten Herbstsonne im Schatten der Kiefern stand, wanderte sein Blick zu dem glatten Granitstein und den gemeißelten goldenen Buchstaben und Ziffern, die seinen Kummer bezeugten.
Hier liegen die sterblichen Überreste von Annie Collins, geboren I960, gestorben am 11. November 1999, und von Sean Collins,
geboren im Juni 1981, gestorben am 7. Oktober 1999
geliebte Frau und geliebter Sohn von John Collins.
‘Ich werde euch vermissen, bis wir wieder zusammen sind.”
Er vermisste sie noch immer. Natürlich hatte er seine Erinnerungen und seine Fotos. Doch seine Erinnerungen waren mitunter verblasst und Fotos so unzulänglich, weil sie nie die Wahrheit spiegelten. Die Seele hinter den Bildern, die Schönheit hinter dem Lächeln, das Glück hinter dem Lachen. Die Fotos hatten niemals die wirkliche Annie, die er mit sechzehn in der Highschool kennen gelernt hatte, eingefangen: die sinnliche Frau mit dem warmen Herzen, dem Sinn für Humor, die gute Freundin und liebende Mutter. Oder den wahren Sean auf dem Foto, das an seinem dritten Geburtstag aufgenommen worden
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