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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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eine Redewendung. Ich bin als Offiziersanwärter in die Armee eingetreten.«
    »War Ihr Vater stolz auf Sie?«
    »Er hat alle Uniformen gehaßt, Erika. Und meine Idee gefiel ihm nicht besonders. Aber ich hatte mich entschieden.«
    »Und wie sind Sie bei der DSE gelandet?«
    »Das ist eine lange Geschichte und unterliegt wohl noch der Geheimhaltung. Sagen wir so: Ich wurde abkommandiert.«
    »Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Familie, Joe. Ich würde es gern hören.«
    Volkmann ließ seinen Blick kurz abschweifen, bevor er Erika wieder ansah. »Meine Mutter war früher Konzertpianistin.
    Allerdings spielt sie heute nicht mehr berufsmäßig. Ihre Finger sind im Alter etwas eingerostet, aber das darf man ihr nicht sagen.« Er lächelte und zuckte sofort zusammen. »Sie haßt das Älterwerden. Mein Vater sagte, sie sei nur dann glücklich, wenn sie auf einem Podium auf einem Schemel sitzt, Klavier spielt und sich im Rampenlicht baden kann.«
    Erika erwiderte sein Lächeln. »Das klingt ganz, als wäre sie eine ›Grande Dame‹!« Sie überlegte kurz. »Sind Sie wie Ihr Vater, Joe?«
    »In mancherlei Hinsicht ja.«
    »Er sah nicht aus wie ein Engländer.«
    »Und wie sehen Engländer Ihrer Meinung nach aus?«
    »Ich meine, er sah mehr aus wie ein Mitteleuropäer. Groß und dunkel.«
    Volkmann schwieg einen Augenblick. »Er war ein Flüchtling, Erika«, sagte er dann. »Er und auch meine Mutter. Sie sind nach dem Krieg nach England gezogen. Meine Mutter stammte aus Ungarn und mein Vater aus dem Sudetenland. Sie haben schon einmal vom Sudetenland gehört?«
    Das Mädchen überlegte. »Eine Gegend in der ehemaligen Tschechoslowakei, die von den Nazis als deutscher Boden beansprucht worden ist.«
    »Eine Minderheit der Bevölkerung dort war deutscher Herkunft. Mein Vater kommt von dort, aus einem Städtchen namens Smolna.«
    »Wenn sie Volkmann hießen, müssen sie deutschstämmig gewesen sein.«
    »Ja, sie waren sudetendeutsche Juden. Volkmann ist zwar kein ausgesprochen jüdischer Name, aber sie waren Juden.«
    Er sah die Überraschung auf Erikas Gesicht, und sie errötete.
    »Deshalb habe ich Deutsch gelernt. Mein Vater hat lange Zeit keine andere Sprache gesprochen. Sein Englisch war immer miserabel.«
    »Und die Familie Ihrer Mutter? Waren sie auch Juden?«
    »Nein, ungarische Katholiken. Also bin ich wohl ein Halbjude.«
    »Gehen Sie in die Synagoge?«
    »Nein. Die Familie meines Vaters war nicht orthodox, Juden waren sie nur dem Namen nach. Als Kind hat mein Vater mich einmal in die Synagoge mitgenommen, aber nur, um sie mir zu zeigen, weil ich neugierig gewesen war. Tiefer ging seine Religiosität nicht.«
    Erika setzte ihr Glas ab und schwieg lange. »Der Krieg muß für Ihren Vater schrecklich gewesen sein.«
    »Er war in einem Lager, wenn Sie das meinen«, erwiderte Volkmann. »Dort hat er meine Mutter kennengelernt. Sie waren beide sechzehn und haben sich an dem Drahtzaun getroffen, der das Männerlager vom Frauenlager trennte. Als das Lager befreit wurde, haben sie sich aus den Augen verloren. Nach Ende des Krieges haben sie sich in London wiedergetroffen und geheiratet.«
    »Das verstehe ich nicht. Wieso war Ihre Mutter in einem Lager? Sie war doch keine Jüdin.«
    »Man hat nicht nur Juden in Lager gesteckt, sondern auch Intellektuelle, Homosexuelle, Landstreicher, Zigeuner, Sekten-mitglieder. Selbst respektable Angehörige der Mittelklasse wie die Familie meiner Mutter. Jeder, den die Nazis als eine Bedrohung des Reiches sahen, wanderte hinein, ganz gleich, wie dünn die Begründung war. Das wußten Sie doch bestimmt?«
    Er sah ihre Miene, als sie sich abwandte. »Es war eine schreckliche Zeit«, sagte sie nach einer Pause. »Für die Juden, für die Deutschen, für alle. Sie hassen uns Deutsche sicherlich?«
    Volkmann blickte sie lange an. »Nein«, antwortete er schließlich. »Ich hasse sie nicht, aber ich mißtraue ihnen. Nicht dem Einzelnen, sondern dem Kollektiv, der Psyche. Ich frage mich, wie Ihre Landsleute das haben zulassen können. Ich habe drei Jahre lang in Berlin gearbeitet, bin nachts aufgewacht und habe darüber nachgedacht, was hier in Ihrem Land geschehen ist. Was meinen Eltern und anderen Menschen wie ihnen angetan wurde.«
    »Eins verstehe ich nicht«, sagte das Mädchen nach einer Weile.
    »Was denn?«
    »Sie sagten, Ihr Vater hätte Uniformen gehaßt. Aber Sie haben sich entschieden, eine Uniform zu tragen. Warum?«
    »Vielleicht, weil ich ihn immer beschützen

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